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Goldfasan

Goldfasan

Titel: Goldfasan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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mehr als zehn Jahren zugelaufen war.
    Glücklicherweise waren bisher weder Paul noch Moses zur Wehrmacht einberufen worden, der eine, weil er mit seinen fast sechzig Jahren zu alt, der andere, weil er mit knapp fünfzehn Jahren zu jung für die alles verschlingende Militärmaschinerie war. Und Pedders selbst war dem Gestellungsbefehl entgangen, weil er kriegswichtige Güter transportierte und von daher UK, also ›Unabkömmlich‹, gestellt worden war.
    Doch das Leben als selbstständiger Skipper bekam in letzter Zeit immer mehr Schattenseiten. Denn die zunehmenden Bombenangriffe machten den Binnenschiffern zu schaffen. Zwei Mal war die Juist nur knapp dem Versenken entgangen. Natürlich war so ein relativ kleiner Kahn kein lohnendes Ziel für die alliierten Bomberpiloten. Aber die Schleusen und die Hafenanlagen der großen Stahlwerke waren es.
    »Die Leinen achtern nicht so stramm ziehen!«, brüllte Pedders Moses an, der zusammen mit Paul das Schiff an den Pollern vor der Schleuse Herne festmachte. »Wir wollen hier nicht überwintern.«
    Vollmatrose Paul, der die Bugleine bereits vertäut und die Anstrengungen seines jungen Kollegen mit skeptischem Blick verfolgt hatte, lief über das Deck und legte achtern Hand an.
    »Leinen fest!«, rief er kurz darauf dem Skipper zu, der am Ruder stand und die vor ihm wartenden Schiffe zählte.
    »Das mit dem Schleusen wird dauern«, meinte Pedders, als Paul wenig später bei ihm auf der kleinen Brücke stand. »Da wollen viele zu Tal fahren.«
    Wie zur Bestätigung meldete sich in diesem Augenblick das Schleusenpersonal über Funk und teilte mit, dass die Juist frühestens in vier Stunden damit rechnen könne, in die Schleusenkammer einzufahren.
    »Ich hab’s befürchtet«, stöhnte Pedders. »Aber lässt sich ja nicht ändern. Moses soll Ordnung schaffen und dann das Deck anständig schrubben. Ich erledige den liegen gebliebenen Schreibkram. Kümmerst du dich um das Mittagessen?«
    Paul nickte.
    »Aber lass nicht wieder alles anbrennen. Das Ergebnis deiner Kochkünste vorgestern wollte noch nicht einmal Struppi fressen. Und das will was heißen.«
    Paul stapfte zur Tür. »Es gibt Erbsensuppe. Mit viel Kartoffeln.«
    »Sag Moses, er soll achtern anfangen.«
    Plötzlich hörte Pedders Moses vom Bug her aufgeregt schreien. Der Kapitän verließ seine Kabine und trat ins Freie.
    »Skipper, da schwimmt was im Kanal!«, rief Moses. »Direkt unter Ihnen an Backbord.«
    Pedders ging zur Reling und sah über Bord. Tatsächlich dümpelte ein Leinensack im Wasser, der etwas über einen Meter lang war und an dem eine Leine befestigt war. Der Schwell eines vorbeifahrenden Tankers ließ den Sack immer wieder mit einem dumpfen Geräusch an die Bordwand stoßen.
    »Gib mir den Bootshaken«, meinte Pedders. »Ich ziehe das Ding nach achtern weg. Ich möchte nicht, dass der Tampen da beim Ablegen in die Schraube gerät.«
    Der Partikulier griff den Haken, den Moses ihm reichte, beugte sich über Bord und versuchte, den Leinensack mit der Spitze zu greifen. Erst beim dritten Versuch hatte er Erfolg. Langsam ging Pedders die Reling entlang nach achtern und schleppte das Teil im Wasser hinter sich her. Er hatte sein Ziel fast erreicht, als sich das Arbeitsgerät löste und ein großes Loch in das Gewebe riss. Pedders beugte sich nach unten, schob den Bootshaken zurück in den Sack und zog heftiger. Mit einem Ruck schoss die Metallspitze wieder heraus.
    »Verdammte Scheiße. Aber was ist denn …« Pedders konnte kaum glauben, was er da im schmutzigen Kanalwasser sah: Sein Bootshaken hatte sich in einem menschlichen Arm verfangen, der nun so aus dem Sack ragte, als wollte er ihm zuwinken.
    »Scheiße«, wiederholte Pedders. Die zügige Weiterfahrt der Juist nach Ludwigshafen konnte er vergessen.
    29
    Freitag, 9. April 1943
    W ieland Trasse fühlte sich ausgeruht und erholt. Die Folgen der anstrengenden Reise spürte er kaum noch. Major Lahmer hatte ihm ein Zimmer in einem Innenstadthotel besorgt, welches ausschließlich von höheren Wehrmachtsund SS-Offizieren frequentiert wurde. Das Bett war weich und bequem gewesen und das Frühstück bot einen in diesen Zeiten seltenen Luxus. Es gab Eier mit Speck, Brot, Käse und Wurst und sogar frisch aufgebrühten Filterkaffee. Der Anschein von Ferien mitten im Krieg. Es ist schon ein Vorteil, auf der Seite der Sieger zu stehen, dachte Trasse, als er die zweite Scheibe Brot belegte. Und egal wie der Krieg ausgeht, ich werde dafür sorgen, immer auf der

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