Goldfasan
bewusst.« Trasse lächelte. »Sollten Sie sich jedoch zu Ihren Gunsten verkalkulieren, fällt mir das spätestens dann auf, wenn ich die Ware in der Schweiz taxieren lasse. Dann würde ich bei der nächsten Lieferung eine entsprechende Korrektur vornehmen. Aber wie haben Sie es doch so treffend gegenüber meinem Schwiegersohn betont: Vertrauen gegen Vertrauen.« Die Ironie war nicht zu überhören.
»Einverstanden.« Müller schob die Notiz zu Trasse hin.
»Wir sind uns also einig. Wunderbar.« Trasse zeigte auf die Kognakflasche. »Jetzt möchte ich auch einen.«
Lahmer griff zur Flasche. »Wenn Sie schon mal hier sind – möchten Sie einen Blick auf das werfen, von dem ein Teil uns gehören wird? Ich könnte das ermöglichen.«
Trasse dachte nicht lange nach und nickte.
26
Donnerstag, 8. April 1943
W as macht dein Vater eigentlich immer so lange im Stall?«
Peter Golsten saß am Küchentisch, vor sich eine Flasche Bier, und beobachtete seine Frau, wie sie am Herd das Abendessen zubereitete: Pellkartoffeln mit Salz und Bohnen, dazu ein kleines Stück Speck.
»Reichst du mir bitte das kleine Messer«, bat Lisbeth.
Golsten erhob sich, nahm das Messer und trat hinter seine Frau. Er umarmte sie und sog ihren Geruch ein.
Mit einer leichten Bewegung befreite sich Lisbeth. »Nicht jetzt. Ich muss doch kochen. Hast du das Messer?«
Ein wenig enttäuscht reichte Golsten ihr das Gewünschte. »Du hast meine Frage nicht beantwortet. Was tut dein Vater den ganzen Tag im Stall?«
Lisbeth war froh, mit dem Rücken zu ihrem Mann zu stehen. Sie war nie eine gute Lügnerin gewesen. »Ich weiß es nicht. Er kümmert sich um seine Kaninchen. Außerdem ist er nicht den ganzen Tag im Stall. Nur am Morgen und Abend.«
»Ganz schön viel Zuwendung für so blöde Viecher.« Golsten machte ein paar Schritte Richtung Tür. »Ich sollte mit ihm reden. Außerdem habe ich schon seit Monaten nicht mehr nach den Tieren geschaut. Es wäre schön, wenn wir wieder ein Karnickel schlachten könnten. Langsam hängen mir Bohnen mit Speck zum Hals raus.«
Lisbeth fuhr herum. Vermutlich unterhielt sich ihr Vater mit dem flüchtigen Juden über Gott und die Welt. Peter durfte die beiden unter keinen Umständen erwischen.
»Schmeckt dir etwa mein Essen nicht?«, schmollte sie und legte das Messer aus der Hand. »Dabei gebe ich mir immer so viel Mühe. Aber auf die Lebensmittelkarten gibt es doch nur so wenig. Was soll ich machen?« Sie trat zu ihrem Mann, ergriff seine Hand und führte sie an ihre Brust. »Du kommst doch herum und kennst Hinz und Kunz. Hast du keine Möglichkeit, etwas Fleisch zu besorgen? Die Tiere sind noch nicht fett genug. Ich habe mit Vater gestern darüber gesprochen. Noch einige Wochen, dann gibt es geschmorte Kaninchen. Vielleicht zu Pfingsten.«
»Ich träume oft von einem Stück Fleisch«, flüsterte Golsten in ihr Ohr. »Aber es hat zwei Beine und lange Haare. Es sieht dir verdammt ähnlich.«
Lisbeth lachte, drehte den Kopf beiseite und wand sich in seinen Armen, ohne sich ernstlich von ihm zu lösen. »Ich habe doch gesagt, jetzt nicht.« Trotzdem schlang sie ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn. Dann schob sie ihn sanft von sich. »Deckst du bitte den Tisch? Das Essen ist gleich fertig.«
Im kleinen Flur, der von der Küche zur Gartentür führte, war ein Geräusch zu hören. Minuten später betrat Hermann Treppmann den Raum. »Was riecht das hier so gut?«, fragte er und warf einen Blick auf den Herd. »Hmm. Bohnensuppe. Lecker.«
»Keine Suppe«, rief Lisbeth erleichtert. »Bohnen mit Speck. Und Pellemänner.«
»Auch gut«, erwiderte ihr Vater und warf seiner Tochter einen beruhigenden Blick zu. Mach dir keine Sorgen, las sie in seinen Augen. Unser Gast liegt auf seinem Zwischenboden und verhält sich ruhig.
Lisbeth atmete tief durch. Für heute schien es so, als sei alles noch einmal gut gegangen.
Sie aßen schweigend. Erst als wirklich alle Schüsseln geleert waren und Lisbeth das Geschirr abzutragen begann, sprach Peter Golsten seinen Schwiegervater auf die Kaninchen an. »Können wir uns bald auf einen Braten freuen?«
Hermann Treppmann wischte sich mit dem Handrücken Bierschaum vom Mund. »Kommt drauf an.«
»Auf was?«
»Aufs Futter.«
»Wollt ihr nicht in die Stube gehen und eure Unterhaltung dort fortsetzen? Ihr sitzt mir hier nur im Weg.«
Die beiden Männer sahen sich erstaunt an. Bisher war es in ihrem gemeinsamen Haushalt üblich gewesen, dass abwechselnd einer von ihnen das
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