Goldfasan
einer Liegezeit im Wasser von mehr als drei Wochen. Deshalb bin ich mir sicher: Die Frau starb zwischen dem 20. und 27. März dieses Jahres. Noch Fragen?«
Golsten schüttelte den Kopf. Er kämpfte mit der Übelkeit und wünschte sich nur noch, diesen Keller verlassen zu dürfen.
»Dann, meine Herren, viel Spaß weiterhin.« Der Arzt zog an seiner Zigarette und verfolgte belustigt, wie Golsten mit bleichem Gesicht eilig Richtung Ausgang strebte.
Zehn Minuten frische Luft und Golsten ging es wieder etwas besser.
Er winkte Schönberger zu sich, der die Geste richtig verstand und erneut zu einem Bericht ansetzte: »Also, das Geschoss hat Kaliber 7.65, abgefeuert vermutlich aus einer Sauer 38H. Die Leiche wurde in einen Leinensack gestopft und dieser mit einem Strick an etwas Schwerem befestigt. Vielleicht wurde ein Stein benutzt. Oder ein Stahlstück. Dann wurde der Sack in den Kanal geworfen. Ob nun die Leine nicht richtig befestigt worden war oder gerissen ist, wissen wir nicht. Auf jeden Fall hat sich der Sack von dem Gewicht gelöst und ist an die Oberfläche getrieben, wo er von einem Berufsschiffer am Freitag entdeckt wurde.«
»Irgendwelche Ausweispapiere?«
»Nein. Nichts.«
»Wieso weißt du dann, dass die Tote Polin ist?«
»Ihre Kleidung. Sie trug das entsprechende Abzeichen.«
Golsten überlegte. Einen Zweifel, dass es sich bei der Toten um Marta Slowacki handelte, hatte er nicht. Ihm fiel etwas ein. »Du sagtest, ihr habt das Polenabzeichen auf ihrer Kleidung gefunden. Trug sie auch Schuhe?«
»Ja, natürlich.«
»Braun, ohne Absatz und mit einer auffälligen aufgenähten Blume?«
»Genau. Woher weißt du das?«
»Der Schuster.«
»Wie bitte?«
»Ich habe den Schuster befragt, bei dem die Slowacki zuletzt Besorgungen gemacht hat. Er hat mir die Schuhe beschrieben.«
»Dann ist die Tote deine Verschwundene?«
»So sieht es aus.«
»Warum schießt jemand einer polnischen Fremdarbeiterin in den Hinterkopf?«, fragte Schönberger.
»Das würde ich auch gerne wissen«, erwiderte Golsten.
32
Donnerstag, 15. April 1943
A uf den Lieferscheinen stand wie vereinbart als Absender eine in Lemberg ansässige Manufaktur für Haushaltswaren. Die drei großen Holzkisten waren am Nachmittag am Güterbahnhof in Wanne-Eickel eingetroffen. Ein freundliches Gespräch mit dem Leiter der Güterstation und ein Hundertmarkschein hatten dafür gesorgt, dass das Bahnhofspersonal Trasse von der Ankunft der Ware sofort unterrichtet hatte. Der Unternehmer schickte sogleich einen Kraftwagen nach Wanne, um alles in sein Herner Kaufhaus transportieren zu lassen.
Gegen sieben Uhr abends war es dann so weit. Trasse betrat den Kellerraum, in dem er die Kisten hatte abstellen lassen. Zwei Mitarbeiter begleiteten ihn. Er wusste genug von deren Vorleben und sexuellen Neigungen, um beide in einem KZ verschwinden lassen zu können. Stillschweigen gegen Stillschweigen. So lautete der ungeschriebene Vertrag.
Trasse ließ die Männer die erste Kiste in den Lichtkegel der von der Decke hängenden Glühlampe schaffen. Hastig räumte er die Töpfe und Pfannen, die obenauf zwischen Holzwolle lagen, beiseite. Endlich stießen seine suchenden Finger auf eine Zwischendecke aus Holz.
»Her mit dem Eisen«, fuhr Trasse einen der beiden anderen Männer an. Er nahm das Eisen entgegen, hielt inne und sagte: »Geht nach oben. Ich rufe, wenn ich euch brauche.«
Er wartete, bis er allein war, und brach die Zwischendecke heraus.
In dieser ersten Kiste befanden sich ausschließlich siebenarmige Leuchter aus purem Gold. Trasse wusste, dass solche Leuchter, Menora genannt, zu den wichtigsten Symbolen des Judentums zählten, aber das war ihm egal. Das Einzige, was ihn an diesen Gegenständen interessierte, war ihr materieller Wert.
Sorgsam hob er die Leuchter aus der Kiste, befreite sie von dem Verpackungsmaterial und stellte jeden einzeln auf eine Waage. Am Ende errechnete er das Gesamtgewicht. Es betrug über drei Kilo. Drei Kilo reines Gold! Ein Vermögen.
Auf dem Boden der Kiste entdeckte er ein Stück Papier, das das Gelieferte auflistete. Das Ergebnis der Addition der Goldgewichte war mit dem Trasses fast identisch.
Unter der Zahl stand: Dies ist das Original . Je ein Duplikat verbleibt bei uns . Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Trasse grinste und berechnete den Anteil in Kilo, der seinen Lemberger Geschäftspartnern, seinem Schwiegersohn und natürlich ihm selbst zustand. Je fünfzehn Prozent für Müller und Lahmer, je
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