Goldfasan
ich einen Wagen hörte. Ich schlafe nicht sehr fest. Die vielen Bombenalarme. Ich bin immer auf dem Sprung.«
Golsten kannte das Problem.
»Als ich das Fahrzeug hörte, bin ich aufgestanden, um nach draußen zu schauen. Ich war noch nicht am Fenster, als ich den Schuss hörte. Ich bemerkte Munders Wagen, unmittelbar darauf fing er an, um Hilfe zu rufen. Ich meinte Schritte wahrzunehmen, die sich schnell entfernten. Sicher bin ich mir jedoch nicht. Als ich noch überlegte, was ich unternehmen sollte, kam ein Mann die Straße heruntergelaufen.«
»Könnten die Schritte, die Sie zuvor gehört hatten, von ihm stammen?«
»Nein, sicher nicht. Die Schritte entfernten sich nach rechts, der Mann aber näherte sich von links. Im ersten Moment glaubte ich, es handele sich um jemanden, der Munders Rufen gehört hatte und herbeieilte, um ihm zu helfen. Dann kam es jedoch zu einem Handgemenge.«
»Das konnten Sie sehen?«
»Es war klar in dieser Nacht, Herr Kommissar. Im Mondlicht kann man einiges gut erkennen.«
»Bitte fahren Sie fort.«
»Es fiel ein weiterer Schuss. Der wurde von dem Mann abgegeben, der bei Munder war.«
»Woher wissen Sie das?«
»Der Explosionsblitz. Ich konnte ihn sehen. Und der Schuss kam aus unmittelbarer Nähe.«
»Da haben Sie keine Zweifel?«
»Herr Kommissar, ich bin mit meinem Mann auf zahlreichen Großwildjagden gewesen. Außerdem bin ich auf einem Gut aufgewachsen und habe meinen Vater oft auf die Jagd begleitet. Ich besitze sogar eine eigene Büchse.«
Sie hob den Arm und zeigte auf eine Jagdwaffe, die über der Tür hing. »Das ist sie. Glauben Sie mir, ich weiß, wie sich Schüsse anhören.«
»Und dann?«
»Der Mann lief weg. Und Munder blieb liegen.«
»Können Sie den Mann beschreiben?«
»Groß gewachsen, schlank.«
»Was haben Sie dann getan?«
»Zunächst nichts. Ich hatte zugegebenermaßen ein wenig Angst. Immerhin habe ich überlegt, die Polizei zu rufen.«
»Sie haben sie aber nicht alarmiert?«
»Nein«, gestand sie.
»Warum nicht?«
»Wollen Sie eine ehrliche Antwort?«
»Selbstverständlich.«
»Ich wollte nichts mit der Polizei zu tun haben. Genauso wenig wie mit dem Schicksal meiner Nachbarn. Schockiert Sie das?«
»Nein«, erwiderte Golsten. »Das geht vielen Menschen so.«
»Ich meinte nicht meine Abneigung vor der Polizei.«
»Das habe ich auch nicht so verstanden.«
Für einen kurzen Moment existierte eine stillschweigende Übereinkunft zwischen dem Kriminalkommissar und der Offizierswitwe.
»Außerdem bemerkte ich Nachbarn, die wie ich die Schüsse gehört hatten und ihre Türen öffneten.«
»Was war mit Frau Munder?« Golsten fragte sich noch immer, warum Charlotte Munder nicht aufgestanden und vor das Haus getreten war.
»Die habe ich nicht gesehen. Es würde mich wundern, wenn die etwas mitbekommen hätte.«
»Warum?«
»Sie trinkt.«
Als Anna von Burwitz Golstens skeptischen Gesichtsausdruck bemerkte, zeigte sie ein Lächeln. »Ich weiß, was Sie denken. Getratsche. Nachbarn, die sich nicht ausstehen können. Natterngetuschel. Habe ich recht?«
»Ich muss gestehen, dass ich tatsächlich diesen Eindruck habe.«
»So viel Offenheit bei einem Polizisten?«
Auch Golsten lächelte nun. »Also, wie kommen Sie darauf, dass Charlotte Munder trinkt?«
»Wann immer ich sie im Garten oder vor dem Haus getroffen habe, roch sie nach Alkohol. Und wenn ich immer sage, dann meine ich das ganz genau so.«
»Während meines Gesprächs mit ihr war sie definitiv nicht angetrunken«, widersprach Golsten.
»Haben Sie Ihr Kommen vorher angekündigt?«
Natürlich hatte er das getan. Und Munder hatte darauf bestanden, bei dem Gespräch anwesend zu sein.
»Selbstverständlich. Sie waren angemeldet«, stellte Anna von Burwitz fest. »Da haben Sie Ihre Antwort.«
»Also haben Nachbarn die Polizei gerufen.«
Anna von Burwitz musterte Golsten. »Das sollten Sie aber eigentlich aus Ihren Akten wissen.«
Golsten entschloss sich zur Wahrheit. »Eigentlich ja. Aber ich bin für diesen Fall nicht mehr direkt zuständig.«
Die Augen der Witwe blitzten. »Weshalb sind Sie dann hier?«
Golsten überlegte, wie er antworten sollte. »Marta Slowacki ist tot«, sagte er dann. »Meine Kollegen gehen von Selbstmord aus,« log er. »Ich glaube hingegen eher an Mord und möchte nicht, dass der Fall so einfach zu den Akten gelegt wird.«
Frau von Burwitz war sichtlich bestürzt. »Das Mädchen ist tot?«
»Leider. Und ich möchte wissen, warum.«
»Verstehe. Und Ihre
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