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Goldfasan

Goldfasan

Titel: Goldfasan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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Vorgesetzten haben kein besonderes Interesse daran, Ihren Vermutungen nachzugehen, weil es sich ja nur um eine polnische Fremdarbeiterin gehandelt hat.«
    »So ähnlich.«
    Anna von Burwitz stand auf, ging zu dem Bücherregal und kehrte mit einer kleinen Holzschatulle zurück. »Aus dem Kongo. Sehen Sie, die schönen Intarsien auf dem Deckel.« Sie öffnete das Kästchen. »Ich nutze es als Zigarettenetui.« Sie hielt Golsten das Schächtelchen hin. »Rauchen Sie?«
    »Nein, danke.«
    »Eine unschöne Angewohnheit, ich weiß.« Sie griff zu Zündhölzern, die ebenfalls in dem Kästchen lagen, und zündete sich eine Zigarette an. Dabei inhalierte sie tief.
    »Es dauerte, bis Ihre Kollegen eintrafen. Einer von ihnen hat dann versucht, Charlotte Munder zu wecken. Irgendwann öffnete sie endlich. Der Polizist ist mit ihr im Haus verschwunden. Später kehrte er allein zurück. Es verging etwa eine halbe Stunde, da fuhr der Wagen von Frau Munders Vater vor.«
    »Wieland Trasse.«
    »Richtig. Sie stieg mit etwas Gepäck in das Fahrzeug. Seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen.«
    »Und das neue Mädchen?«
    »Wurde später abgeholt. Von der Polizei. Auch die scheint seitdem nicht mehr im Haus zu sein.«
    Golsten erinnerte sich an die dunklen, abgrundtief traurigen Augen der jungen Polin. »Eine Frage habe ich noch. In den Abendstunden des 15. April, also Donnerstag vor einer Woche, wurde mit einem Lastkraftwagen eine Kiste bei Munders angeliefert. Haben Sie davon etwas mitbekommen?«
    »Nein.«
    »Die Kiste ist etwa einen halben Kubikmeter groß. Vielleicht haben Sie gesehen, dass diese später wieder aus dem Haus gebracht wurde?«
    »Nein, tut mir leid.« Sie zog an der Zigarette. »Aber warum schauen Sie nicht nach?«, fragte sie dann.
    »Im Haus der Munders?« Golsten musste lächeln. »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich offiziell mit diesem Fall nichts mehr zu tun habe. Und für eine bloße Annahme die Tür aufzubrechen oder ein Fenster einzuschlagen … Nein.«
    Anna von Burwitz schüttelte den Kopf. »So weit geht Ihre Wahrheitsliebe also doch nicht. Eine intakte Glasscheibe ist Ihnen wichtiger.«
    »Das habe ich nicht gesagt. Aber ich bin Polizist, kein Einbrecher.«
    »Sie müssen auch nicht einbrechen. Jedenfalls nicht so, wie Sie es sich vorstellen. Ich habe einen Schlüssel. Ich würde Ihnen diesen überlassen.«
    Golsten war verblüfft. »Woher …?«
    »Noch von den Cohns. Wir haben uns gegenseitig unsere Gartengeräte geliehen. Schließlich waren wir eng befreundet. Sie hatten einen Schlüssel für unseren Keller, wir einen für ihren. Ich habe keine Veranlassung gesehen, Munders den Schlüssel auszuhändigen, nachdem sie die Cohns aus ihrem Haus vertrieben hatten. Also, was ist? Wollen Sie den Schlüssel? Ich weiß allerdings nicht, ob Munders mittlerweile neue Schlösser haben einbauen lassen. Aber einen Versuch wäre es wert. Oder interessiert Sie die Wahrheit jetzt nicht mehr so sehr, Herr Kriminalkommissar?«
    Der verächtliche Ton ärgerte Golsten und ließ ihn jede Vorsicht vergessen. Und außerdem: Im Grunde hatte sie ja recht.
    »Geben Sie mir den Schlüssel«, forderte er daher mit fester Stimme.
    54
    Dienstag, 27. April 1943
    T rasse war noch nicht sehr oft im Büro des Gaustabsleiters gewesen. Deshalb verwunderte es ihn zunächst auch nicht, dass er in das Untergeschoss geschickt wurde, nachdem er beim Pförtner des Gebäudes vorgesprochen hatte. Der Unternehmer fühlte sich geschmeichelt, hatte er doch erst am Morgen um einen Termin nachgesucht und diesen, trotz des vermutlich vollen Kalenders Hedders, noch am selben Tag erhalten.
    Doch er saß einer Fehleinschätzung auf. Denn Hedder veranstaltete jeden letzten Dienstag im Monat eine Art Sprechstunde. Der Gaustabsleiter wollte damit die »Verbundenheit der Partei zu den Volksgenossen«, wie er es nannte, dokumentieren. Und Trasse war mit seinem Wunsch nach einem Gesprächstermin von Hedders Sekretariat einfach zwischen all die anderen geschoben worden, die sich schon angemeldet hatten.
    So wartete der Unternehmer nun mit etwa zehn weiteren Bewohnern des Gaus Westfalen-Süd in einem kargen, weiß getünchten Kellerraum des Parteigebäudes darauf, dass sie vorgelassen wurden.
    Nach fast drei Stunden auf einer Holzbank durfte Trasse dann endlich das Büro betreten, in dem Erich Hedder seine Sprechstunde abhielt.
    Der Stabsleiter stand auf, als er Trasse erblickte, und reichte ihm die Hand zum Gruß. »Mein lieber Trasse«, schmeichelte er.

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