Goldfasan
Anruf wartet. Was ist, wenn ich bei dir und deiner Tochter eine Hausdurchsuchung durchführen lasse? Was werden wir wohl finden? Ach ja, selbstverständlich wirst du keine Zeit mehr haben, Belastbares aus dem Weg zu räumen, weil ich dich, sollten wir uns nicht einigen, auf der Stelle in diesem Büro festnehmen lasse. Kooperierst du, rufe ich statt der Beamten meine Sekretärin herein. Sie wird den Notar zu uns bitten, der im Nebenzimmer wartet. Du siehst, ich habe an alles gedacht.« Der Kriminalrat setzte sich wieder. »Und damit du nicht auf dumme Gedanken kommst: Es ist in deinem Interesse, dass ich mich auch zukünftig bester Gesundheit erfreue. Denn sollte mir etwas zustoßen …« Saborski lachte auf. »Ich sehe dir an, dass du gerade an genau diese Möglichkeit gedacht hast. Glaube mir, ich habe entsprechende Vorsorge getroffen. Nun, wie entscheidest du dich?«
»Diese Erpressung ist doch nicht auf deinem Mist gewachsen«, vermutete Trasse. »Du machst üblicherweise keinen einzigen Schritt, ohne dich abzusichern.«
Saborski antwortete nicht und Trasse sprach weiter. »Irgendjemand hat dir für unser heutiges Gespräch grünes Licht gegeben. Irgendjemand deckt dich, stimmt’s? Nun sag schon. Wer?«
Die Männer maßen sich mit Blicken.
»Ah, ich ahne, wer hinter dieser Sache steckt. Es muss jemand sein, der im Rang deutlich über dir steht. Und natürlich auch über deinem Vorgesetzten, dem Polizeipräsidenten. Warte, vielleicht doch nicht. Möglicherweise geht es nicht um die formale Stellung in der Polizeihierarchie.« Er musterte Saborski prüfend. »Es geht um politische Macht. Genau. Das ist es. Habe ich recht?«
Saborski blieb still.
»Erich Hedder. Ist er es?« Trasse klappte sein Zigarettenetui auf. Sein Gesicht wurde fahl. »Ja, er ist es. Wenn das so ist … Aber eine Bedingung habe ich.«
»Du kannst keine Bedingungen stellen, Wieland.«
»Ich glaube doch. Denn ich weiß zu viel. Auch über dich.«
»Was willst du?«
»Regel die Sache mit dieser Polin. Ich möchte, dass die Angelegenheit endlich zu einem Ende gebracht wird.«
Saborski seufzte. »Einverstanden.«
52
Montag, 26. April 1943
D u bist in den letzten Tagen so bedrückt. Hast du Ärger mit Peter?« Marianne Berger sah ihrer Freundin tief in die Augen. »Wenn du darüber reden möchtest …«
Die beiden Frauen saßen sich am Küchentisch gegenüber. Lisbeth Golsten bereitete das Abendessen vor, zu dem sie Marianne eingeladen hatte. Für einen kurzen Augenblick erwog Lisbeth, Marianne ihr Herz auszuschütten. Aber dann unterließ sie es doch. Noch eine Mitwisserin war eine zu viel, egal wie eng ihre Freundschaft war.
»Ja, aber nichts Ernstes. Der übliche Kleinkram. Eigentlich kaum der Rede wert, aber du weißt ja, wie so etwas manchmal geht. Ein falsches Wort fällt, das dann auch falsch verstanden werden will, und der Streit ist da. Keiner will nachgeben und aus einer Mücke wird schließlich ein Elefant. Ich sollte den ersten Schritt tun und Peter um eine Aussprache bitten.«
Das war eine Lüge, gewiss. Aber was hätte sie sonst als Erklärung für ihr Verhalten in den letzten Tagen anführen können? Seit Rosen verschwunden war, ließ sie jedes unverhoffte Geräusch zusammenzucken, Schritte vor der Haustür brachten sie aus der Fassung. Kamen sie, um die Familie zu holen? Lisbeth war mit den Nerven vollständig am Ende.
»Das wird sicher das Beste sein. Soll ich dir mit den Kartoffeln helfen?«
»Nee, ich bin ja ohnehin fast fertig. Aber du könntest die eingemachten Bohnen öffnen und abgießen.«
Es gab heute zum wiederholten Mal Bohnen mit Speck und Kartoffeln. Genauer: viel Bohnen mit noch mehr Kartoffeln. Und immer weniger Speck. Aber Lisbeth wollte sich nicht beklagen. Sie hatten ihren Garten hinter dem Haus, der ihnen regelmäßig frisches Gemüse bescherte, und die Kaninchen im Stall, die von Zeit zu Zeit Fleisch lieferten. Andere, die nur auf die Lebensmittelmarken angewiesen waren, hatten es viel schlechter getroffen. Sie mussten hamstern, um ihre Familien satt zu bekommen. Oder auf dem Schwarzmarkt ihre letzten Wertsachen eintauschen. Was beides streng verboten war.
Das Schlagen der Haustür war zu hören.
»Papa?«, rief Lisbeth Golsten in den Flur.
»Nein, ich bin’s«, antwortete ihr Mann. »Ich habe Hunger. Was gibt es zu essen?«
Einen Augenblick später stand Peter Golsten in der Küche. »Ach, Marianne. Guten Abend.«
»Ich habe sie zum Essen eingeladen«, erklärte Lisbeth.
»Und was gibt
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