Goldfieber
Wohin gehen wir eigentlich essen?«
Ich schloss die Tür, froh darüber, sie los zu sein. Man sagt ja, dass man sich seine Verwandten nicht aussuchen kann, wohl aber seine Freunde. Merkwürdig, wirklich merkwürdig …
Garrett! Hör auf, herumzutändeln!
Ich betrat das Zimmer des Toten Mannes. »Dean!«, rief ich in Richtung Küche. »Ich brauche dich als Zeugen.« Ich stand kurz davor, eine anstrengende Lektion von der Welt größtem Zauderer und Abwälz-Artisten zu bekommen. Die Schwierigkeit war nur, dass der einzige Zeuge, der ihn wirklich belasten konnte, ein anderer Loghyr wäre. »Ein kleiner Happen könnte auch nicht schaden.« Mein eigener besonderer Loghyr hat den Ruf, einer der Ehrgeizigsten zu sein, den seine Rasse jemals hervorgebracht hat, obwohl er schon seit Äonen tot ist.
Einige Kämpfe kann man eben nicht gewinnen. Es zeugt von Weisheit, wenn man das vorher erkennt und sich davonschleicht, um ein Terrain zu erreichen, das zu halten man eine Chance hat.
Dean, bitte bring unseren Gast mit, wenn du kommst. Und stell einen Teller für Garrett zusammen, sei so gut. Er ist hungrig und wird dann gereizt.
Ich wurde noch viel gereizter. Sein Verhalten und diese Botschaft sagten mir, dass unser Gast weiblich und unter vierzig sein musste. Dean kann gut mit Frauen, die jung genug sind, dass sie seine Töchter sein könnten. Sie lungern gern in seiner Küche herum. Teilweise, weil sie vor ihm sicher sind, teilweise, weil er sie behandelt, als wären sie seine Lieblingstöchter, und teilweise, weil er ein netter alter Knabe ist.
»Ist Tinnie wieder da?«
Nein. Sag mir, was da draußen passiert ist.
»Der Gottverdammte Papagei hat doch die ganze Zeit auf meiner Schulter gehockt.«
Das Vieh ist beschränkter, als du glauben willst. Er hört zwar sehr scharf, aber nur in einem sehr engen Umfeld. Und sowohl seine Sehfähigkeit als auch sein Geruchssinn lassen zu wünschen übrig.
»Du solltest dir ein menschliches Werkzeug suchen.« Aber nicht mich.
Eine perfekte Idee. Unglücklicherweise ist das Gehirn eines Menschen nicht empfindlich genug für eine Fernsteuerung. Keine intelligente Kreatur, ganz gleich welcher Spezies, würde für meine besonderen Zwecke perfekt passen. Da scheint eine Gemeinsamkeit zu bestehen, die ich eines Tages genauer untersuchen muss.
»Klar«, murmelte ich. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass ich eines dieser fehlgeschlagenen Experimente war.
Die Tür ging auf. Dean stand da, Teller in der Hand, und hielt sie jemandem auf.
Dieser Jemand trat ein.
»Du?« Ich war überrascht.
»Ich«, verkündete Belinda Kontamin. »Dein Mangel an Begeisterung bricht mir das Herz.«
Dieses Weib hatte gar keins. Aber daran mochte ich sie nicht erinnern.
Sie mag Schwarz. Nein, sie liebt Schwarz. Sie trug einen schwarzen Abendumhang über einem maskulin geschnittenen Dreiteiler aus sehr geschmeidigem schwarzem Leder. Sie trug schwarze Stiefel mit hohen Absätzen. Und lange, schwarze Seidenhandschuhe, die sie unter ihren schwarzen Ledergürtel geklemmt hatte. Dean hatte ihr bei ihrer Ankunft mit Sicherheit ihren schwarzen Hut mit dem schwarzen Schleier abgenommen und ins Vorzimmer gelegt. Sie hatte sich die Fingernägel schwarz lackiert und etwas auf ihr Lippen getan, das diese dunkler und schwarzglänzend machte. Dann hatte sie einen Gesichtspuder aufgetragen, was ihre Haut noch bleicher machte.
Ich hatte schon Vampire gesehen, die lebendiger aussahen.
Trotz all dem – oder vielleicht auch gerade deswegen – war sie unglaublich schön. Mehr noch, sie strahlte etwas aus, was es schwierig machte, sich am gesunden Menschenverstand festzuhalten und seinen Selbsterhaltungstrieb nicht zu vergessen. Ihr bizarres Äußere wirkte ausgesprochen erotisch.
»Du hast mir eine Nachricht geschickt. Ich war in der Stadt und hatte nichts anderes mehr zu erledigen. Also bin ich hergekommen. Du warst unterwegs, aber Dean war nett. Wie immer.«
Ich warf dem Toten Mann einen finsteren Blick zu und dachte: Du hättest mich warnen müssen.
Er stellte sich tot.
Verdammt, die Frau hatte Nerven! Sie wusste, was der Tote Mann war und wozu er fähig war. Niemand mit einem derartig schwarzen Gewissen wie dem ihren sollte sich freiwillig in seine Nähe begeben.
Damals, in diesen scheinbar so lange zurückliegenden Zeiten, als die Gilde im Umbruch war und unter Belindas Regentschaft geriet, hatten wir eine kurze, heiße Affäre. Ich kann mich wohl glücklich schätzen, dass ich sie lebend überstanden
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