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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Abgesandter Montezumas mit einem so zahlreichen Gefolge reist, ging es mirdurch den Kopf – wie groß muss dann erst die Streitmacht des Aztekenherrschers sein?
    Teudile und Cuitlalpitoc überboten einander mit überschwänglichen Lobpreisungen. Sturmbezwinger stand stumm daneben, mit gesenktem Kopf und zusammengepresstem Mund. Die Kunde von Cortés’ ruhmreichem Sieg über Potonchan sei bis nach Tenochtitlan gedrungen, erklärte der Abgesandte aus der Hauptstadt. Der König der bärtigen Fremden, fügte Teudile hinzu, müsse ein Herrscher von großer Macht sein, wenn schon sein Statthalter Cortés das Gebaren eines Gottes an den Tag lege.
    »Eines Gottes?«, vergewisserte sich Cortés, nachdem Malinali und Aguilar übersetzt hatten.
    Cuitlalpitoc und Teudile wechselten ratlose Blicke. »Erstaunt Euch das, mein Herr?«, fragte der Abgesandte.
    Cortés sah ihn nur an.
    Teudile räusperte sich umständlich die Kehle frei. »Nun, wie wir hörten«, ließ er sich vernehmen, »habt Ihr Euch dagegen ausgesprochen, Menschenherzen zu opfern – genau wie einst der große Quetzalcoatl!«
    Cortés starrte noch ausdrucksloser, falls das überhaupt möglich war. »Und deshalb glaubt ihr, dass ich dieser Gott sei?«
    Die beiden Azteken tauschten erneut verwirrte Blicke. Teudile winkte einige Diener herbei, und Cuitlalpitoc sagte: »Wir sind uns noch nicht schlüssig. Was glaubt Ihr , Herr?«
    Während Cortés noch vorgab, über diese Frage nachzudenken, näherten sich drei Männer aus dem Gefolge der Azteken. Sie kauerten sich vor unserem Herrn auf den Boden, zogen Blätter und Zeichenstifte unter ihren Gewändern hervor und begannen zu malen. Ich stand zwischen Malinali und Carlita eingezwängt, aber auch ohne mich von der Stelle zu bewegen, konnte ich einem von ihnen über die Schulter sehen. Sein Stift fuhr geschwind über das Blatt aus Pflanzenfasern, das er auf einem kleinen Brett ausgespannt hatte. Er besaß eine äußerst geschickte Hand – obwohler erst wenige Striche ausgeführt hatte, war Cortés’ charakteristisches Profil bereits klar zu erkennen. Das vorgereckte Kinn, der dünne, wie stets sorgsam gestutzte Bart, die wuchtige Stirn unter dem breitkrempigen Hut. Auch Cortés’ Umhang gab der Zeichner mit größter Genauigkeit wieder – den talarartigen Schnitt, die würfelförmigen Goldtroddeln, die sein Gewand am Kragen, an Ärmeln und Säumen zierten.
    »Alles, was geschieht, hat sich in früheren Zeiten schon einmal oder mehrfach zugetragen«, erklärte Teudile. »Dieses kosmische Gesetz ist in Eurem Land gewiss ebenso bekannt wie bei uns.«
    »Und aus diesem Grund«, ergriff wiederum der Abgesandte das Wort, »hat mich unser Herrscher, der Große Montezuma, beauftragt, ihm Bericht zu erstatten: Wie Ihr ausseht, wie Eure Gewänder beschaffen sind, welche Vorlieben und Abneigungen Ihr an den Tag legt. So wird er mithilfe seiner Priester und Ratgeber herausfinden, mit welchem Ereignis aus früheren Zeiten Euer Erscheinen übereinstimmt. Und so wird der Große Montezuma schließlich auch erkennen, wie er Euch nach dem Willen der Götter zu begegnen hat. Bis dahin bittet er Euch, sich als seine hochgeschätzten Gäste zu betrachten und hier an der Küste zu verweilen, solange es Euch beliebt. Es soll Euch an keinerlei Bequemlichkeit fehlen.«
    Teudile hob eine Hand und schnipste mit den Fingern. Weitere Diener eilten herbei. Sie öffneten die Bündel und Tragekörbe, die sie in der Nähe aufgestapelt hatten, und reichten dem Tributeintreiber, was er durch hervorgefauchte Befehle jeweils verlangte.
    Als Erstes übergab er Cortés einen kunstvollen Kopfschmuck aus überwiegend roten Vogelfedern. Unser Herr wollte ihn achtlos an Portocarrero weiterreichen, da berührte Malinali seine Hand mit der ihren.
    »Rot«, sagte sie auf Chontal, »die Farbe von Quetzalcoatl, dem gütigen Schöpfergott. Vor langer Zeit wurde er von Tezcatlipoca,dem Gott des Krieges und der Zauberei, gestürzt. Die Seher prophezeien, dass er eines Tages zurückkehren wird.«
    Während sie sprach und der Tätowierte ihre Worte ins Spanische übersetzte, schaute Malinali die ganze Zeit über nur Cortés an. Letzte Nacht auf der Santa Maria , ging es mir durch den Kopf, hatte sie zum ersten Mal das Lager mit unserem Herrn geteilt. Durch die Bretterwand, die Diegos und meine Kammer von seiner Kajüte trennt, war wie stets jeder Laut zu hören, nur waren es diesmal ganz andere Laute als sonst. Auch Carapitzli, allein in der Nachbarkammer, war gewiss

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