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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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hinweggegangen,so als wären mehr als eine Million Aztekenkrieger nicht weiter der Rede wert.
    »Ich gehe nach unten, mir die Kämpfe ansehen!«, rief Diego. »Ich schätze, du kommst nicht mit, Orte?« Er grinste mich über die Schulter an und rannte schon davon, zum Strand hinab.
    Endlich war ich mit Carlita allein. Mit ihr und meinen sorgenvollen Grübeleien, besser gesagt. Unser Herr wird nach Tenochtitlan marschieren, sagte ich mir wieder und wieder, während ich mit Carapitzli weiter auf den sandigen Wegen zwischen den Rundhütten herumspazierte. Von diesem Plan wird sich Cortés durch nichts und niemanden abbringen lassen – nicht von Montezuma und seiner unermesslich großen Kriegerschar und auch nicht von denjenigen unserer Männer, die sich Gouverneur Velazquez verpflichtet fühlen. Denn alles, wovon Cortés jemals geträumt hat, wartet in Tenochtitlan auf ihn. Der mächtigste Thron und der größte Goldschatz der Neuen Welt.
    Hatte ich mir nicht gerade so etwas immer gewünscht, fragte ich mich – unsere Expedition als niemals endendes Abenteuer? Und würde es nicht ganz genau so kommen, wenn Cortés sich wirklich zu dem tollkühnen Marsch nach Tenochtitlan entschloss? Vor meinem inneren Auge sah ich unseren Herrn schon auf einem funkelnden Goldthron sitzen. Neben ihm Malinali und beide trugen eine goldene Krone auf dem Kopf. Aber das ist Wahnsinn!, sagte ich mir dann wieder. Wir haben gerade einmal fünfhundertfünfzig Kämpfer – Montezuma aber hat mehr als eine Million! Selbst wenn jeder Konquistador hundert Indianer in offener Schlacht besiegen würde – so hätten die Azteken dennoch nicht einmal den zwanzigsten Teil ihrer Streitmacht verloren! Ganz zu schweigen von der Unterstützung durch den Teufel, die sie erhalten würden, wenn sie es erst einmal geschafft hätten, einen oder mehrere unserer Kämpfer in ihren Götzentempeln zu opfern. Und trotzdem fühlte ich, dass Cortés das ganz und gar Unmögliche wagen würde.
    Carlita riss mich aus meinen Grübeleien. »Nahualli« , sagte sie und zeigte zum Waldrand hinter den Hütten.
    Ich schaute in die Richtung, in die sie gedeutet hatte, und auf der Stelle war mir klar, was sie meinte. Oder, besser gesagt, wen.
    »Nahualli?« , wiederholte ich.
    Sie nickte und in ihrem Gesicht kämpfte Besorgnis mit Heiterkeit. Anscheinend hatte ich das Nahuatl-Wort ziemlich seltsam ausgesprochen.
    »Zauberer«, sagte ich. »Ja, das glaube ich auch, Carapitzli – diese spinnwebgrauen Männer sind hier, um teuflische Dämonen zu beschwören und einen bösen Zauber über unser Lager zu legen.«
    Sie schaute mich aufmerksam an. Ihre Lippen bewegten sich, als spräche sie meine Worte lautlos nach. »Zauberer«, wiederholte sie schließlich – es klang auch ziemlich seltsam, aber mir war überhaupt nicht nach Lachen zumute.
    Das lag nur zum Teil an dem Zauberer, der wie eine Vogelscheuche zwischen den Bäumen am Waldrand stand und zu uns herunterstarrte. Mehr noch lag es an Carlitas riesengroßen Augen, die mich anzusaugen schienen – ich konnte nichts anderes mehr machen als sie wie ein Schlafwandler anschauen und hoffen, dass ich nicht wieder in Ohnmacht fallen würde. Wie damals, als wir uns zum ersten Mal gesehen hatten und ich unter dem Knüppel des Kriegers zu Boden gegangen war. Diesmal fühlte ich ein ganz ähnliches Sausen hinter meiner Stirn – als ob ich zu lange unter Wasser geblieben wäre.
    »Ihuiyohuia« , sagte sie und machte mir auch gleich vor, was sie meinte. Sie atmete ein und wieder aus, und ich schaute andächtig zu, wie ihre Brust sich hob und wieder senkte.
    Dann wurden wir beide wieder einmal gleichzeitig rot. Aber immerhin hatte ich wieder angefangen zu atmen.
    »Ichpochtli« , sagte sie und zeigte auf sich selbst.
    »Heißt du denn nicht Carapitzli?« Ich riss meine Augen auf.
    Sie lachte und nahm mich bei der Hand. Mit ihrer anderen Hand fuhr sie in der Luft die sanften Wölbungen an ihrem Oberkörper nach. »Ichpochtli« , wiederholte sie und mir wurde abermals heiß. Hatte Carapitzli mir gerade erzählt, was »Brüste« auf Nahuatl hieß?
    Wir gingen weiter den Weg entlang, auf einen Zauberer zu, der in einer Entfernung von vielleicht fünfzig Schritten einen absonderlichen Tanz aufführte. Er warf seine Beine und Arme in die Luft und schüttelte seinen Kopf mit den langen dünnen Staubfädenhaaren hin und her – es sah aus wie der Todeskampf eines Tarantelskorpions.
    »Conetlecatl« , sagte Carapitzli. Sie blieb stehen und fuhr diesmal

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