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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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vergaß ich diesen Gedanken.
    »Was ist das eigentlich zwischen dir und dem Indianermädchen, Orteguilla?«, fragte Cortés und sah mich durchbohrend an.
    Genau diese Frage hatte ich zuvor schon in seinem Blick gelesen, doch das tröstete mich in diesem Moment überhaupt nicht. Ich empfand Entsetzen, sonst gar nichts. Pure Angst, dass er bis zum Grund meines Herzens geblickt und dort nichts anderes entdeckt hätte als meinen Verrat.
    Zaghaft hob ich die Schultern.
    »Vielleicht ist es ja Liebe«, fuhr Cortés fort und seine Lippen kräuselten sich zu jenem flüchtigen Lächeln. »Das würde jedenfalls einiges erklären – und es würde manches leichter machen, jedenfalls für den Anfang.«
    Sein Lächeln war längst wieder erloschen. Er umfasste meinen Arm noch fester und zog mich ein paar Schritte beiseite. Carapitzli folgte uns mit ihrem Blick, und in meiner Verwirrung kames mir vor, als ob sie schon wüsste, was Cortés nun zu mir sagen würde.
    »Finde heraus, was es mit dem Mädchen auf sich hat!«, befahl mir unser Herr. »Malinali kennt die Kleine schon seit zwei Jahren, aber sie trägt ein Geheimnis mit sich herum, das sie trotz allem Zureden nicht offenbaren will. Sie gibt vor, die Tochter eines einfachen Tuchhändlers aus Texcoco zu sein, einer mit Montezuma verbündeten Stadt oben im Norden. Aber ihr Nahuatl, sagt Malinali, klingt sehr viel eher so, als ob sie in Tenochtitlan aufgewachsen wäre, in der Hauptstadt der Azteken also – und zwar in den höchsten Adelskreisen.«
    Cortés ließ meinen Arm unvermittelt los. »Finde es heraus und erstatte mir Bericht«, sagte er.
    In meinem Kopf war nichts als ein schreckliches Durcheinander. »Aber ich kann kein Nahuatl«, brachte ich hervor, »und sie spricht kein Wort Spanisch!«
    »Dann bring es ihr bei!«, befahl mir unser Herr und ging davon.
- 5 -
    Am Ostersamstag kurz nach Sonnenaufgang erschien erneut der Totonaken-Häuptling in unserem Stützpunkt. Wir alle hatten die Nacht auf den Schiffen verbracht und uns gerade erst wieder an Land rudern lassen, als Sturmbezwinger sich vor unserem Herrn auf die Knie warf. Er wirkte noch besorgter als am Vortag, und noch bevor Malinali und Aguilar seine Worte übersetzt hatten, wurde mir klar, was ihn bedrückte. Seine beiden Begleiter waren noch sehr viel prächtiger gekleidet als er selbst. Vor allem aber strahlten sie die tückische Sanftheit wohlgenährter Raubtiere aus. Ich spürte sofort, dass es Abgesandte des »großen und grausamen Montezuma« sein mussten.
    Der jüngere der beiden nannte sich Cuitlalpitoc. Er erklärte, dass Montezuma ihn eigens hergeschickt habe, um die edlenFremden zu begrüßen und reich zu beschenken. Cuitlalpitoc schien mir etwa in Cortés’ Alter sein, Anfang oder Mitte dreißig. Er trug einen prunkvollen Umhang, der mit Vogelfedern besetzt, mit Gold- und Silberfäden durchwirkt war und in allen Farben schillerte. Seine Füße steckten in goldenen Sandalen, deren gleichfalls goldenes Schnürwerk sich bis zu seinen Knien emporwand. Seinen Kopf zierte ein hoch aufgetürmter Federschmuck, und um seinen Hals hingen so viele Gold- und Silberketten, dass er bei jeder Bewegung klirrte. Sein Begleiter war der Tributeintreiber Teudile, von dem Sturmbezwinger am Vortag schon gesprochen hatte, ein vierschrötiger Mann mit flinkem Blick und einem gewaltigen Nasenpflock aus Jade.
    »Und wenn sie sich noch so sehr wie Pfauen oder wie Weiber ausstaffieren«, polterte Portocarrero, »für mich sind und bleiben es stinkende Teufelsjünger!«
    »Aber sie duften ja«, gab Sandoval mit unbekümmertem Lachen zurück. »Nach Veilchen und Zitrone, Alonso – riechst du das nicht auch?«
    Der »Dröhnende« begann, einen weiteren Fluch hervorzustoßen, doch Alvarado gebot ihm zu schweigen. Der »Durchtriebene« wirkte angespannt und das war wahrhaftig kein Wunder.
    Mit den beiden Azteken war eine unabsehbar große Gefolgschaft gekommen, zweitausend Männer oder noch ein paar Hundert mehr. Sie strömten auf den Platz über der Küste, an dessen Rand wir bei den Tischen für den Goldhandel standen. Sie luden ihre Bündel an der Stelle ab, die Teudile ihnen angewiesen hatte, und kauerten sich dann stumm auf den Boden. Sie alle trugen die einfachen Gewänder von Dienern oder Sklaven, und soweit ich das erkennen konnte, war niemand von ihnen bewaffnet. Trotzdem überkam auch mich bei ihrem Anblick ein ungutes Gefühl. Dabei hatte ich zu diesem Zeitpunkt die Zauberer noch nicht einmal entdeckt. Wenn schon ein

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