Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
Vom Netzwerk:
wir die aztekischen Gesandten hier empfangen haben – eine Woche, in der sich Cortés fast unaufhörlich mit seinen Vertrauten beraten hat. Diego und ich mussten unzählige Male zum Hafen laufen, um einem der Kapitäne eine Botschaft von Cortés zu überbringen, oder im Gewirr der Baustellen nach einem unserer Männer suchen, mit denen sich unser Herr dringend besprechen wollte. Nun aber ist die Stunde der Entscheidung gekommen. Eine fast unerträgliche Spannung liegt in der Luft, und obwohl Cortés so gleichmütig wie fast immer dreinschaut, spüre ich, dass auch seine Nerven zum Äußersten angespannt sind.
    »Ich habe diese Versammlung einberufen«, erklärt Bürgermeister Portocarrero, »damit wir einen städtischen Gesandten ernennen. Er soll im Auftrag von Villa Rica de la Vera Cruz nach Tenochtitlan reisen und dort mit König Montezuma einen Vertrag über die künftigen Beziehungen zwischen unseren Städten aushandeln. Ich schlage vor, dass wir den Obersten Richter undKommandanten unserer Verteidigungsstreitkräfte mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe betrauen – Don Hernán Cortés!«
    Niemals vorher hat Portocarrero so viele Sätze hintereinander gesprochen, ohne auch nur einen einzigen Fluch oder eine winzige Verwünschung einzuflechten. »Wer für diesen Vorschlag ist«, fährt er mit ernster Miene fort, »der hebe nun seine Hand!«
    Drei Dutzend Ratsherren lassen ihre Hände emporschnellen. »Hoch lebe Don Hernán!«, schreien sie. »Kapitän-General Cortés, geht dorthin und durchbohrt mit Eurem Speer das schwarze Herz des Satans!«
    Alle schreien und johlen durcheinander – die Ratsherren, doch ebenso die anderen Männer, die einen weiten Kreis um die Versammlung herum gebildet haben.
    »Wer dagegen ist«, ruft der »Dröhnende« aus, »der erkläre sich jetzt!«
    Morla und Montejo wechseln einen raschen Blick. Dann heben sie beide ihre rechte Hand.
    »Auch wenn ihr so schlau wart, die Expedition in eine Stadt zu verwandeln«, schreit der Neffe von Gouverneur Velazquez, »was ihr vorhabt, ist und bleibt Hochverrat!« Morlas sonst so rotbackiges Gesicht ist grau wie Asche. »In Wahrheit soll Cortés keinen Vertrag aushandeln, sondern Krieg gegen die Azteken führen! Alles Gold, das Montezuma gehortet hat, wollt ihr an euch reißen – Gold, das der spanischen Krone und Gouverneur Velazquez gehört, dem einzig rechtmäßigen Statthalter unseres Königs!« Er schüttelt seine Fäuste in Cortés’ und Portocarreros Richtung.
    Der »Dröhnende« berät sich murmelnd mit Alvarado. »Damit ist unser Vorschlag mit sechsunddreißig zu zwei Stimmen angenommen«, erklärt er. »Don Hernán Cortés, Oberster Richter und Kapitän-General unserer Verteidigungsstreitkräfte – Ihr wurdet von dieser Ratsversammlung soeben zum offiziellen Gesandten von Vera Cruz gewählt. Stellt eine Delegation und einige Garnisonenzu Eurer Sicherheit zusammen und begebt Euch unverzüglich nach Tenochtitlan. Dort sollt Ihr mit dem Aztekenherrscher Montezuma aushandeln, wie …«
    Weiter kommt er nicht. Gerade als er »wie« ruft, knallen an sämtlichen Ecken des Marktplatzes gleichzeitig Schüsse. Rund fünfzig Männer, mit Gewehren und Armbrüsten bewaffnet, rücken von allen Seiten auf die Ratsversammlung vor. Es sind allesamt Gefolgsleute von Gouverneur Velazquez – dieselben Männer, die seit Monaten unsere Rückkehr nach Kuba fordern und die von Cortés überlistet wurden, als er sie mit Morla und Montejo auf jene Erkundungsfahrt schickte. Ich erkenne den Steuermann Cermeno, einige weitere Seeleute und den jungen Escobar, der noch im Frühjahr einer von Velazquez’ Pagen war. Auch einige Hauptleute gehören der Verschwörung an – Diego de Ordas und Velazquez de Leon. Mit gezückten Schwertern nähern sie sich der Ratsversammlung, und Cermeno schreit: »Schluss jetzt mit der lächerlichen Komödie! Das hier ist eine Expedition und keine Stadt! Wir verlangen die sofortige Rückkehr nach Kuba!«
    Beim Krachen der Schüsse ist auch mir der Schreck in die Glieder gefahren. Doch während Cermeno den Ratsherren die Forderungen der Aufrührer entgegenschleudert, beginnt sich mein Herzschlag schon wieder zu beruhigen. Unser Herr nickt Sandoval zu, und der »Tollkühne« gibt einigen seiner Männer, die ringsherum in der Menge postiert sind, ein Zeichen. Im nächsten Moment stürmen sie zu Hunderten von allen Seiten gleichzeitig los. Sie stürzen sich auf die Verschwörer, reißen sie zu Boden, schlagen ihnen die Waffen aus den

Weitere Kostenlose Bücher