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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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ansah, als ich sie das fragte. So schmerzlich, so verstört, so sehr von Entsetzen erfüllt, dass ich mir schwor, diesen Punkt von mir aus nicht mehr zu berühren. Obwohl ich natürlich spüre, dass Cortés’ Geduld zur Neige geht. Doch ihm bleibt gleichfalls nichts anderes übrig,als auf den Moment zu warten, an dem Carlita von sich aus ihr Schweigen bricht. Auch Fray Bartolomé hat sie sich bisher nicht anvertraut, so wenig wie Marina. Damals, als ich jenen Stachel der Eifersucht in meinem Innern spürte, hat sie den Priester lediglich gefragt, wieso wir eine Frau, die einen Gott geboren hat, nicht zumindest als Halbgöttin verehren. Doch als Fray Bartolomé sie seinerseits wegen der Götzin Xochiquetal ausfragen wollte, da wich sie ihm genauso aus wie mir. Wenn Carlita überhaupt jemals mit irgendwem über jene düsteren Ereignisse sprechen wird, dann einzig und allein mit mir. Da bin ich mir mittlerweile ganz sicher und Cortés sieht es offenbar genauso.
    Mittlerweile schreiben wir den 13. Juli. Am späten Nachmittag melden Häuptling Silberbogens Späher, dass von Nordwesten her eine Delegation aus Tenochtitlan naht. Cortés befiehlt, zwei geräumige Holzhäuser für Montezumas Gesandte herzurichten. Die Gebäude sind gerade erst fertig geworden, in den Zimmern riecht es nach Holz, Kalktünche und Leim. Auf dem Marktplatz wird ein großer Baldachin aufgespannt und der Lehmboden darunter mit Flechtmatten ausgelegt.
    In letzter Zeit kam mir unser Herr oftmals angespannt vor. Nun wird mir klar, dass er auf genau diesen Moment seit Wochen gewartet hat. Heute wird eine Entscheidung fallen, das spüre ich klar und deutlich. Entweder laden ihn die Abgesandten feierlich nach Tenochtitlan ein – oder Cortés wird einen Vorwand finden, um gegen Montezumas erklärten Willen ins »goldene Herz« des Aztekenreichs zu marschieren.
    Die aztekische Gesandtschaft besteht aus fünf Männern mittleren Alters, die geradezu lächerlich prachtvoll gekleidet sind. Jeder von ihnen sitzt in einer kostbar verzierten Sänfte, die von vier muskelstarrenden Kriegern getragen wird. Weitere fünfzig Krieger, mit Speeren, zackenbewehrten Knüppeln, Pfeil und Bogen bewaffnet, marschieren hinter ihnen her.
    In einem der Gesandten erkenne ich Cuitlalpitoc wieder, deruns an Ostern zusammen mit dem Tributeintreiber Teudile aufgesucht hat. Unter seinem hirschledernen Umhang, der mit verschlungenen Mustern verziert ist, trägt er diesmal so viele Goldund Silberketten, dass er sich kaum aufrecht halten kann.
    Er hält eine ausschweifende Begrüßungsrede. Als er damit fertig ist, heißt Cortés die Gesandtschaft ebenso wortreich willkommen. Mittlerweile sitzen wir im Kreis unter dem Baldachin, und Cuitlalpitoc gibt sich ersichtlich Mühe, unbeeindruckt zu wirken. Doch der Anblick unserer halb fertigen Stadt macht ihm und den anderen Delegierten offenkundig zu schaffen. Bisher konnten sie noch hoffen, dass wir bald wieder über das Meer davonsegeln würden. Davon kann nun keine Rede mehr sein.
    »Der Große Montezuma hatte Euch gebeten, Herr«, erklärt Cuitlalpitoc, »in dem Hüttendorf auszuharren, das wir weiter unten an der Küste eigens für Euch errichten ließen. Er war sehr erzürnt, als er erfuhr, dass Ihr es vorzogt, Euch von dem nichtswürdigen Totonaken-Herrscher Pazinque einladen zu lassen.«
    Cuitlalpitoc legt eine Pause ein und schaut Cortés bedeutungsvoll an. Doch unser Herr starrt nur ausdruckslos durch ihn hindurch. So bleibt dem Gesandten nichts anderes übrig, als sich zu räuspern und weiterzusprechen.
    »Als aber dann die Nachricht nach Tenochtitlan gelangt ist, dass Ihr zwei unserer Tributeintreiber aus der Gewalt des todgeweihten Pazinque befreit habt, da hat der Große Montezuma verkündet, dass er Euch verzeiht. Er betrachtet Euch als seinen Freund, Herr, und er ist sehr gerne bereit, Euch in seinem Palast zu empfangen, falls das noch immer Euer Wunsch ist.«
    Marina beginnt zu übersetzen, dann plötzlich stockt sie und schaut Hilfe suchend zu Aguilar hinüber. Doch ehe sich der Tätowierte besonnen hat, mischt sich Carlita ein. »Todgeweiht«, sagt sie halblaut. »Er sagt, König Pazinque muss sterben.«
    Ein Zittern überläuft sie. Alle starren Carlita an, doch nur einen Moment lang, dann übersetzt Marina weiter und alle wendensich wieder ihr zu. Bis auf einen der Abgesandten Montezumas, einen stämmigen Mann von vielleicht vierzig Jahren – er schaut noch einige Augenblicke lang zu Carlita hinüber. Dazu runzelt er

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