Goldfieber
bekunden erneut ihre Zustimmung, zuerst zaghaft, dann mit Getrampel und Geschrei. »Hoch lebe Don Hernán!«, rufen sie wieder. »Unser Kapitän-General, der uns alle zu reichen Männern machen wird! Er lebe hoch!«
Gerade will auch ich wieder Beifall klatschen, da klammert sich eine schmale kühle Hand um meine Rechte.
»Geht nicht nach Tenochtitlan!«, ruft mir Carlita zu. Ihre Augen sind weit aufgerissen, ihr Gesicht ist vor Angst verzerrt. »Ihr werdet dort weder Glück noch Reichtum finden, sondern einen schrecklichen Tod! Sage das deinem Herrn, Orteguilla – du musst ihn warnen! Er soll seinen Plan ändern – noch ist es nicht zu spät!«
Ich lächle Carlita an und mir ist gleichzeitig nach Lachen und Weinen zumute, nach Angstschreien und Jubelrufen. Ich bin so glücklich wie noch nie, so verängstigt wie noch nie, so mutlos und wagemutig. Ich ziehe Carlita an mich, ich bringe meinen Mund ganz nah an ihr Ohr und rufe: »Doch, Carlita, es ist zu spät – morgen beim ersten Tageslicht brechen wir auf nach Tenochtitlan!«
SIEBTES KAPITEL
Der Tag, an dem wir uns vergaßen
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» Was Rom für die Christen und Mekka für die Muslime – das ist Cholollan für die Indianer: eine tausendjährige Stadt voll majestätischer Tempel und Pyramiden! « Mit diesem begeisterten Ausruf beginnt ein Brief an König Karl, den unser Herr vorgestern Diego diktiert hat. Tatsächlich ist Cholollan die weitaus größte und großartigste aller Indianerstädte, die wir bisher zu sehen bekommen haben – zehnmal größer als Potonchan oder Cempoallan. Cortés schätzt, dass in den Stein- und Lehmziegelhäusern von Cholollan mindestens zweihunderttausend Menschen leben – oder, besser gesagt, bis vor Kurzem gelebt haben .
Unzählige Chololla säumten die Straßen, als wir vor drei Tagen um die Mittagsstunde hier Einzug hielten – unsere Reiter vorneweg, gefolgt von sechs Kompanien zu Fuß, die in voller Rüstung, mit Helm und Schild marschierten. Auch unsere Kanonen, die Gewehr- und Armbrustschützen machten auf die Chololla offenbar gewaltigen Eindruck. Sie jubelten uns nicht gerade zu, doch die meisten hatten sich uns zu Ehren festlich gekleidet und geschmückt. Auf mich wirkten sie angespannt und aufgeregt, aber keineswegs feindselig.
Immerhin hatten ihre beiden Herrscher selbst uns eingeladen, einige Tage in ihrer Stadt zu verbringen, bevor wir uns auf die letzte Etappe unserer Reise machen würden. Cholollan ist den Aztekentributpflichtig, und der friedliche Empfang schien darauf hinzudeuten, dass sich Montezuma endgültig entschlossen hatte, uns in seiner Hauptstadt willkommen zu heißen. Zahllose Boten und Gesandte hat er uns in den zurückliegenden Monaten geschickt, und jeder von ihnen brachte eine andere Begründung vor, warum der Aztekenherrscher uns nun doch nicht – oder jedenfalls noch nicht – in Tenochtitlan empfangen könne. Doch Cortés hörte sich die Botschaften immer nur gleichmütig an und ließ dem Großen Montezuma jedes Mal ausrichten, dass nichts und niemand ihn daran hindern könne, seinen königlichen Freund zu besuchen.
Von Cholollan aus sind es nur noch gut fünfundvierzig Meilen bis Tenochtitlan – nicht mehr als drei Tagesmärsche, wenn man einigermaßen ungestört vorankommt. Für die hinter uns liegenden hundertfünfzig Meilen haben wir allerdings zwei Monate gebraucht! Und so viele Tage davon erschienen mir wie Ewigkeiten voller Entbehrungen und Qualen! Mehr als dreißig unserer Männer sind unterwegs umgekommen – im Schneesturm der Hochgebirge erfroren, von Speeren durchbohrt, von den messerscharfen Klingen der indianischen Steinschwerter zerfetzt oder jenem heimtückischen Fieber erlegen, das auch unseren Herrn zwischenzeitlich niederstreckte.
Doch im Rückblick kommen mir alle diese Mühen und Schrecken beinahe klein vor. Montezuma hat uns in einen Hinterhalt gelockt! Cholollan ist eine Falle!
Die Herrscher von Cholollan haben uns in ihrem größten Palast einquartiert und großzügig bewirtet, zumindest am ersten Abend. Nicht einmal an den mehr als Tausend Tlaxcalteken-Kriegern, die mit uns in ihre Stadt einzogen, schienen sie Anstoß zu nehmen – dabei sind die Tlaxcalteken die Todfeinde der Azteken und aller Völker, die Montezumas Oberherrschaft anerkennen. Hätte es uns nicht misstrauisch machen müssen, dass die Chololla scheinbar ungerührt zuschauten, wie ihre ärgsten Widersacher in voller Bewaffnung durch ihre Straßen marschierten?
Doch jetzt ist es zur Umkehr zu
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