Goldfinger
die Muskeln und schlich vorwärts, Schritt für Schritt die dürren Zweige beiseite räumend und behutsam, als durchquere er ein Minenfeld.
Die Bäume wurden spärlicher. Nun mußte bald der Stamm kommen, den er heute nachmittag als Deckung benutzt hatte! Er hielt danach Ausschau - und blieb mit fliegendem Puls stehen. Neben dem Stamm seines Baumes, eng an den Boden gepreßt, lag jemand!
Tief und langsam atmend, um den Schreck loszuwerden, ließ Bond sich auf Hände und Knie sinken und starrte hinüber.
Die Gestalt bewegte sich, nahm vorsichtig eine andere Lage ein. Windhauch strich durch die Baumkronen, und in dem tanzenden Mondlicht sah Bond flüchtig volles, schwarzes Haar, einen schwarzen Sweater und enge schwarze Hosen. Und noch etwas fiel ihm auf: ein gestreckter, metallischer Schimmer, der von dem schwarzen Haar am Stamm vorbei nach vorn ins Gras lief.
Verdrießlich sah Bond zwischen seinen Händen zu Boden. Es war Tilly. Da lag sie nun und beobachtete das Gebäude. Und hatte ein Gewehr im Anschlag! Ein Gewehr, das zwischen ihren harmlosen Golfschlägern gesteckt haben mußte.
Langsam beruhigte er sich wieder. Egal, wer sie war und was sie wollte! Er schätzte den Abstand, berechnete die Schritte und den letzten Sprung: linke Hand an die Gurgel, die rechte aufs Gewehr. Jetzt!
Dumpf prallte er auf den Rücken des Mädchens. Der Aufschlag preßte ihr hörbar die Luft aus den Lungen. Seine Linke lag an ihrer Kehle und fand die Schlagader, seine Rechte griff nach dem Gewehrkolben, drückte ihre Finger weg, spürte, daß die Waffe gesichert war und stieß sie zur Seite.
Bond ließ den Hals los und hielt ihr den Mund zu. Sie rang nach Luft, war aber noch ohnmächtig. Vorsichtig hielt er ihr die Hände auf dem Rücken fest. Als sie zu zappeln begann, drückte er mit Bauch und Hüften ihre Beine nieder. Atemlos versuchte sie zu beißen. Er rutschte an ihr hinauf und flüsterte ihr ins Ohr: »Tilly, um Himmels willen, still! Ich bin’s, Bond. Es ist wichtig. Wollen Sie still sein und zuhören?«
Sie hörte auf, sich zu wehren, nickte. Bond gab sie frei, lag nun neben ihr, hielt ihr aber die Hände noch auf dem Rücken fest. Er flüsterte: »Kommen Sie wieder zu Atem, aber sagen Sie mir eines: Sie sind hinter Goldfinger her?«
Sie flüsterte wütend: »Umbringen wollt’ ich ihn!«
Bond ließ ihre Hände los. Sie schob sie unters Kinn. Ihr Körper zitterte, und Bond suchte sie zu beruhigen, indem er ihr übers Haar strich. Vorsichtig prüfte er dabei die unverändert friedliche Lage dort unten. Unverändert? Das Radargerät auf der Schornsteinkappe harte aufgehört, sich zu drehen: Sein rechteckiges Maul blickte nun in ihre Richtung. Bond maß dem keine Bedeutung bei. Das Mädchen hatte sich beruhigt. Er flüsterte: »Keine Angst, auch ich bin hinter ihm her und werde ihm mehr schaden, als Sie es je gekonnt hätten. Ich handle im Auftrag von London. Was hat er Ihnen getan?«
»Er hat meine Schwester umgebracht. Sie haben sie gekannt - Jill Masterton.«
Grimmig fragte er: »Wie ist das passiert?«
»Einmal im Monat nimmt er eine Frau. Jill hat’s mir gesagt, als sie die Stelle bei ihm hatte. Vorher versetzt er sie in Hypnose und läßt sie vergolden.«
»Himmel! Warum?«
»Das weiß ich nicht. Jill sagte mir, er sei besessen vom Gold. Ich nehme an, daß
- irgendwie wird er glauben, er nimmt vom Gold Besitz, wenn er - daß er das Gold heiratet, gewissermaßen. Irgend so ein Koreaner muß die Frauen bestreichen, aber das Rückgrat frei lassen, damit die Hautatmung nicht ganz unterbunden wird, sonst würden sie sterben. Nachher wäscht er sie mit einem Harz wieder ab. Goldfinger zahlt ihnen tausend Dollar und schickt sie weg.«
Im Geiste sah Bond den schrecklichen Fakto mit einem Topf voll Goldfarbe, während Goldfinger mit irrem Besitzerstolz auf die glitzernde Statue starrte. »Und was war mit Jill?«
»Sie hat telegraphiert, ich solle kommen. Sie lag in Miami, in der Unfallabteilung, im Sterben. Goldfinger hatte sie hinausgeworfen. Die Ärzte wußten nicht, was los war, aber sie sagte es mir. Sie starb noch in derselben Nacht.« Das Mädchen erzählte sachlich-nüchtern. »Wieder in England, konsultierte ich Train, den Hautspezialisten, der erzählte mir von der Sache mit der Hautatmung. Einem Kabarettgirl war das gleiche zugestoßen, sie hatte als
Silberstatue auftreten müssen. Er erklärte mir die Einzelheiten des Falls, zeigte mir auch den Sektionsbefund. Jetzt wußte ich, wie Jill gestorben war.
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