Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
durchsichtiger grauer Fleck breitete sich wie das Delta eines breiten Flusses über die erst gestern mit Farbe übertünchte Wandstelle aus.
Ich spürte eine leise Panik in mir aufsteigen, die mich fast handlungsunfähig machte, so dass ich mehrere Minuten reglos verharrte. Dabei fühlte ich, wie sich nicht nur die feinen Härchen meiner Arme, sondern auch die an meinen Beinen senkrecht aufstellten. Erst die ruhelosen Schritte über mir brachten mich zur Besinnung. Ich weiß nicht, ob das, was ich tat, logisch war – das mögen meine inzwischen mit Recht ungeduldigen Leser entscheiden -, jedenfalls tat ich es, rannte Hals über Kopf aus der Wohnung, sie weit geöffnet zurücklassend, sprintete die Treppe hinauf und fiel sozusagen mit der Tür in den Dachboden.
Herr Luchterhand schaute mich mit großen hellen Augen an, als ich, ich kann mich selbst nur noch sehr schwach an diesen Moment erinnern, auf ihn zuraste und ihn am Kragen packte: „Du perverser Spanner! Du mieser A.., lass mich endlich zufrieden, hörst du! Ich weiß nicht, was du hier oder in meiner Wohnung oder im Keller machst, warum du es machst, was du damit bezweckst, aber ich sage es dir das letzte Mal: Hör auf damit!“
Klaus Luchterhand war reichlich blass um die Nase geworden und fühlte sich unter meinen Händen an, wie ein nasses Plüschtier, dass man hin- und herbiegen konnte soviel man wollte. In meinem Zorn hörte ich kaum sein leises Stimmchen, mit welchem er sich betroffen versuchte zu rechtfertigen: „Ich habe doch gar nichts getan!“
„Ha! Denkst du ich merke nicht was du tust? Es ist ja nicht zu übersehen, vor allem in meiner Wohnung, auch wenn ich keine Ahnung habe, wie du das anstellst!“
„Ich weiß gar nicht, wovon du redest, ich...ich...habe nichts getan, außer hier nach dem Rechten zu sehen.“
Seine vollkommen überraschtes Gestammel brachte mich wieder zu mir und sofort kam ich mir leicht dämlich vor. Meine Hand löste sich von seinem Kragen, als wäre sie nicht meine und ich trat einige Schritte zurück, um sie wie ein unbenötigtes Werkzeug irgendwo zu verstauen. Nun erst begann ich zu zittern und mich an der Wand abstützend, ließ ich mich auf den abgewetzten Holzfußboden plumpsen, wo ich einige Minuten schweigend saß.
Als ich mich gesammelt hatte, fragte ich sehr viel leiser, aber mit jeder Menge Skepsis in meiner Stimme, ob es wahr ist, was er sagt. Herr Luchterhand nickte und wie, um seine Erklärung nochmals zu unterstreichen bestätigte er erneut, dass er nur zufällig hier oben sei, weil er etwas gehört habe und ansonsten nicht wisse, wovon ich da eben geredet habe.
„Du hast doch eben aus einer Dachluke geschaut?“
„Ja, das habe ich. Ich hatte wie gesagt etwas gehört und rausgeschaut.“
„Und was ist mit meiner Wand? Hast du damit etwas zu tun?“
Klaus schaute mich groß an und fragte: „Was ist mit deiner Wand?“
„Das gleiche, was ich dir heute schon erzählte, nur dass es jetzt wieder da ist, obwohl ich es überstrichen hatte. Du glaubst gar nicht, wie ich mich erschreckt habe.“
Herr Luchterhand kaute an einem seiner Finger und wirkte sehr nachdenklich. „Und deshalb bist du durchgedreht?“ Die Frage hatte die Betonung einer Feststellung.
„Ähm, ja, ich weiß nicht...“, stotterte ich verwirrt und drehte verlegen an einer Haarsträhne, versuchte mich zu erinnern, wie es dazu gekommen ist, „da war noch so viel anderes.“
„Was denn?“ Die nackte Glühbirne warf einen hellen Fleck auf den nackten Boden, während dessen die Schatten aus den Ecken krochen.
„Ich hatte den Eindruck, du spionierst mir hinterher. Ich habe doch gemerkt, wie du immer an deiner Tür standest oder einmal von der Treppe heruntergeschaut hast, als ich im Hausflur war. Auch das Treffen heute halte ich nicht für einen Zufall.“
Herr Luchterhands Ohren bekamen eine ungesunde purpurne Farbe, aber er nickte mir zu, wobei er die Augen schloss. „Stimmt, tut mir leid. Ich habe mir einfach Sorgen gemacht.“
„Aber warum denn, verdammt noch mal? Ich werde aus deinem Gerede nicht schlau.“
Statt zu antworten bat er mich, sich die Wand anschauen zu dürfen. Gemeinsam stiefelten wir zu meiner Wohnung hinab, deren Tür noch immer weit offen stand. Ohne jede Regung starrte er auf den grauen Fleck, schien über etwas nachzusinnen, fern mit seinen Gedanken.
Plötzlich schaute er hoch, sein Blick fiel auf das kleine Püppchen, das auf dem Fensterbrett saß. Er nahm
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