Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
es und wieder glaubte ich seine Gedanken auf eine weite Reise gehen zu sehen. So abwesend, wie er war, fragte ich mich innerlich, was es wohl bei diesen Sachen so viel nachzudenken gäbe und sogleich beantwortete er die Frage, indem er vollkommen ernst behauptete: „An irgendjemanden erinnert mich diese Puppe.“
Ich erwiderte nichts, hielt das für unnötig, zumal ich nicht verstand, dachte jedoch gleichermaßen an meine spontane Namensgebung. Ihm eine Stuhl in der Küche anbietend, bat ich ihn gleichzeitig um völlige Offenheit und eine umfassende Erklärung, sowohl des Ursprunges seiner Sorgen als auch seiner Worte. Mit einem Glas Grapefruitsaft in seinen Händen überlegte er, vielleicht darüber, wie er am besten beginnen solle, und räusperte sich.
„Weißt du, es ist so – ich wohne schon sehr viele Jahre in diesem Haus.“
„Ah ja“, sagte ich, nicht wirklich sicher, was ich davon halten sollte.
„Und das Kuriose ist, dass der Mieter, der vor dir in dieser Wohnung lebte, ebenfalls verschwand.“
Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen, doch meinen Lippen entrang sich nur ein schwaches „Hm“. Dann legte ich noch mit einem trockenen „Soll das jetzt ein Scherz sein, oder was?“ nach.
Er schüttelte den Kopf. „Nein, es ist kein Scherz. Es war wirklich so. Er war von einem Tag zum anderen verschwunden und seine Möbel und Sachen befanden sich noch alle in der Wohnung. Das wurde allerdings erst Wochen später bemerkt, als wir, die Mieter des Hauses, ihn schon ziemlich lange nicht mehr gesehen hatten.“
Ich glaubte das einfach nicht, wollte es nicht glauben, und dennoch fühlte ich mich seltsam beunruhigt. „So was gibt es gar nicht. Es können doch nicht gleich zwei Leute, die in demselben Haus lebten, völlig unabhängig voneinander verschwinden. Das ist doch Unsinn.“
„Verstehst du jetzt, warum ich mir Sorgen mache?“, erwiderte er langsam und mit überdeutlicher Betonung, zwei große Schlucke aus dem Glas hinterhernehmend. „Zufällig war dieser Mieter, als er verschwand, ebenfalls beim Renovieren.“
In meinem Kopf wirbelte alles durcheinander. Sollte ich das ernst nehmen? Und wenn ja, welche Rolle spielten dann die Wand und die Puppe in dieser Geschichte? Ich konnte beim besten Willen keine logischen Zusammenhänge erkennen, aber zum Denken war ich sowieso viel zu aufgewühlt. Und zwar so sehr, dass ich anscheinend nicht mitbekommen hatte, wie ich die Frage laut vor mich hinmurmelte.
„Jetzt weiß ich es!“, platzte Herr Luchterhand heraus, „Diese Puppe erinnert mich an jenen Mieter, merkwürdig...“
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Mich erinnerte sie an Raik, also wer weiß, was ich davon halten durfte. Dann bemerkte ich, dass Herr Luchterhand irgendwie in sich zusammengefallen war und fast verzweifelt wirkte. Er machte auf mich den Eindruck eines kleinen Jungen, der seinen Haustürschlüssel verloren hat und sich nun bemühte der Schelte zu entgehen, indem er ihn wiederfindet. Er schien tatsächlich etwas verloren zu haben, nur war es nicht sein Schlüssel.
„Es ist so seltsam. All diese Jahre alleine ist mir, als lebe ich in einem Traum. Ich habe ständig das beängstigende Gefühl, etwas sehr Wichtiges vergessen zu haben, doch so viel ich auch nachdenke, mir fällt nichts ein. Es ist wie ein Traum, in dem man sich an einen Traum zu erinnern versucht.“ Seine Worte verhallten leise in der Nacht, welche vor dem geöffneten Fenster noch immer ihren schwarzen Samt über der Stadt ausgebreitet hatte.
***
Tagebucheintragung vom 23.08.1979
Heute habe ich Olgalein, wir waren gerade bei einem Einkaufsbummel in den Rathaus-Passagen und haben nach einem Paar toller neuer Schuhe (hochhackige Pumps mit Goldapplikation) für sie angestanden, gefragt, ob sie sich vorstellen könnte, mit mir zusammenzuziehen. Sie hat genickt und ist weggegangen, um sich eine Grilletta zu holen. Unmengen von Spatzen umschwärmten sie, als sie auf dem Platz ihr Brötchen verfütterte.
Sie sah so niedlich aus in dem hellblauem Hosenanzug und mit den zu einem Zopf gebundenen blonden Haaren. Als sie wieder zurückkam, schimpfte sie mit mir, weil wir noch nicht an der Reihe waren und ich tröstete sie. Ein bisschen ungeduldig ist sie ja manchmal und mir fällt immer häufiger auf, dass sie eine etwas verletzende Art an sich hat, mit mir zu reden. Ab und zu werde dann richtig wütend, diese Aggressivität, die dabei in mir aufsteigt macht mir Angst, deshalb lasse
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