Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
gesehen hatte.
Christine schaute mich erstaunt an und hob amüsiert die Augenbrauen. „Großfürstin?“ Sie kicherte. „Nee, nee, meine Liebe, das glaube ich eher nicht.“
„Allerdings ist es auch nicht ausgeschlossen“, setzte sie hinzu und erklärte: „Natürlich könnte es möglich sein, dass etwas in jenem Leben so traumatisch war, dass du die Erinnerung nur ertragen kannst, wenn du dich von der ehemals eigenen Persönlichkeit abspaltest und als Zuschauer fungierst. Eventuell könnten auch Seelenanteile dieser Persönlichkeit verloren gegangen sein, die du bisher nicht wiederfinden konntest. Aber meine Vermutung geht eigentlich mehr in das Offensichtliche – du warst jemand, der mit der Großfürstin zu tun hatte, bei Hofe zum Beispiel.“
Wieder wirbelten Gedanken wild in mir herum, ein bisschen fürchtete ich, nie wieder Ordnung in das Chaos bringen zu können. „Meinst du, dass die Botschaft ebenfalls offensichtlich ist?“
„Ich weiß nicht recht, doch irgendwie scheint es mir tatsächlich so, da sich die Großfürstin direkt an dich wendet und ihre Aufforderung vom Grunde her eindeutig ist. Hast du das Zarengold gefunden?“
Mein ganzer Körper war ein einziges Fragezeichen. Christine bemerkte meine Verwirrung.
„Wenn die Botschaft offensichtlich ist, dann bedeutet sie, was sie aussagt: du sollst das Zarengold finden. Fragt sich, wieso hast du diese Aufgabe in einem anderen Leben nicht erfüllt? Ist sie so wichtig, dass sie dir bis in dieses Leben folgt? Oder ist es besser gesagt der habgierige Geist einer toten Großfürstin, der dich aufgespürt hat und dir nun in deinen Träumen erscheint?“
„Ein Geist?“, stöhnte ich vollends derangiert.
„Ich meine jetzt nich so ein Schlossgespenst, sondern den Geist eines Menschen, Bewusstsein ist vielleicht das bessere Wort, mit dem wir in unseren Träumen, selbst mit Verstorbenen, Kontakt aufnehmen können.“
„Aha“, sagte ich, hatte jedoch nicht wirklich das Gefühl, irgendetwas zu verstehen.
„Es könnte auch sein“, dachte sie weiter, „dass irgendein Unrecht geschehen ist. Dass du das Gold zum Beispiel gefunden, aber beiseite geschafft hast und sich dein schlechtes Gewissen in diesen Erinnerungen bemerkbar macht und verlangt, dass du das Unrecht wieder gut machst.“
Entrüstet schaute ich sie an. Kindergelächter drang zu uns herüber. Die Liegewiesen hatten sich gefüllt, wie ich erst jetzt bemerkte.
„Na ja, ich meine ja nur“ lenkte sie ein. „Es gibt Hunderte Möglichkeiten. Du musst dich einfach erinnern, Kiraffchen.“
Sie wusste, dass ich diesen Spitznamen total albern finde, ließ es sich aber trotzdem nicht nehmen, mich ab und zu so zu nennen. Nach einem kurzen Blick in Richtung Schwimmbecken schlossen wir aus, noch einmal hineinzugehen, da sich nun inzwischen die Badehungrigen dicht an dicht drängelten, so dass man von Glück sagen konnte, überhaupt einen Stehplatz im Wasser zu ergattern.
Stattdessen ließen wir uns zu einem Picknick unter dem Lindenbaume nieder, meine mitgebrachten Brötchen auspackend. Nur ein erfrischendes Nass, das uns von innen her kühlen würde, fehlte noch. Deshalb machte ich mich auf den Weg zu den Kiosken, die ebenso gut besucht waren wie die Swimmingpools. In der Schlange wartend, lief ein bartstoppeliger und pelzbrüstiger Mann in einer blauen Badehose an mir vorbei, welcher sich mehrfach nach mir umschaute und mich anglotzte, als wäre ich das achte Weltwunder. Zu meinem Leidwesen kam er nun geradewegs auf mich zu.
„Hallo! Sag mal, wo wohnst’n du?“, fragte er lapidar. Ich antwortete nicht. Ihm ging jetzt wohl ein Licht auf, dass er die Sache falsch anging und er änderte seine Fragestellung: „Wohnst du nicht in der Kreuzallee, ganz oben, unterm Dach?“
Vollkommen überrascht schaute ich ihn an und würgte ein „Wieso?“ heraus.
„Sag doch mal, du wohnst da, nicht? Ich kenn dich.“
„Woher kennst du mich?“, antwortete ich misstrauisch, aber ohne jeden Skrupel, ihn ebenso mit einem vertraulichen Du zu bedenken.
„Ich wohne auch dort, besser gesagt gegenüber, und ich sehe dich manchmal auf dem Balkon. Du machst da immer irgendwas mit deinen Sonnenblumen.“
„Ich mache da was mit den Sonnenblumen?“ Ich musste schmunzeln.
„Na ja, ich weiß nicht, ich kann es nicht genau sehen. Ich hab schon zu meiner Frau gesagt, was macht das Mädel denn da.“ Er lachte. Ich ließ mir meine wachsende Beklemmung nicht anmerken und
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