Goldmarie auf Wolke 7
dem langen Bartresen eine heiße Show abzogen, um die männlichen Gäste anzuheizen. Irgendwann ging uns die Puste aus und wir sanken alle drei erschöpft auf den Teppich. Obwohl der Song von nichts anderem als Liebe handelte, hatte ich Dylan für eine ganze Weile vergessen, so sehr war ich in die Musik und in das Tanzen versunken gewesen. Als Finja von Gesa ins Bett gebracht wurde, schaute Julia mich ernst an. »Kannst du mir bitte mal erklären, weshalb du weder MTV noch Viva guckst, bei Konzerten in Ohmacht fällst, aber ausgerechnet diesen Film liebst und danach abgehst wie eine Rakete? Wir haben die DVD bestimmt schon hundertmal zusammen geguckt und es ist jedes Mal dasselbe mit dir. Das ist doch total unlogisch!« Ich dachte über ihre Worte nach, natürlich war da was dran. Im Grunde erinnerte auch er mich schmerzlich an meinen Vater, der genau die gleichen Ängste gehabt hatte wie Violet und zeitlebens gegen sie angekämpft hatte. Außerdem berührte mich die Vater-Tochter-Geschichte. Jule legte den Arm um mich und murmelte: »Ach, vergiss es, ich brauche eigentlich keine Antwort. Es ist wunderschön zu sehen, wenn du so aus dir rausgehst wie eben. Ich finde einfach nur, dass du das viel öfter machen solltest.«
Als ich kurz vor Mitternacht nach Hause kam und mein Handy anmachte, das auf der Kommode lag, sah ich, dass sich Dylan weder gemeldet noch eine Nachricht auf meiner Mailbox hinterlassen hatte. Kathrin saß in der Küche, blätterte in einer Musikfachzeitschrift und trank ein Glas Rotwein. Sie hob den Kopf, als sie mich sah, und sagte: »Es hat niemand für dich angerufen. Schlaf gut, Marie, und vor allem schnell. Morgen ist wieder Schule.« Ich wünschte ihr auch eine gute Nacht und schlurfte in mein Zimmer. Dylan hatte nicht angerufen. Mein Gefühl von heute Morgen hatte mich also nicht getäuscht. Seit Samstagabend hatte sich etwas zwischen uns verändert. Und das fühlte sich gar nicht gut an …
40.
»Wir sollten herausfinden, was mit ihrer Mutter geschehen ist, anders werden wir Goldmaries gebrochenes Herz nur sehr schwer heilen können«, seufzte die Feenkönigin, als sie zusammen mit Delba über die weißen Schneefelder spazierte, begleitet von einem Schwarm Kraniche, die majestätisch über ihren Köpfen kreisten und dann Richtung Südwesten flogen. Die Priesterin nickte und zog ihren langen grünen Wollmantel enger um sich. »Vielleicht kann die Zeit der Rauhnächte uns dabei behilflich sein«, antwortete sie nachdenklich, während ihr Atem kleine Wölkchen bildete. Dann blickte sie verträumt in die Ferne: »Ich liebe diese heilige Zeit der magischen Wunder. Das goldene Tor beginnt, sich zu öffnen, in den eiskalten Dezembernächten leuchten die Sterne besonders hell und die Nornen helfen uns bei der Arbeit.« Die Feenkönigin schmunzelte. »Verlass dich mal nicht zu sehr auf die Schicksalsweberinnen! Sie haben schon so manchem einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber ich gebe dir recht. In der Vorweihnachtszeit liegt ein ganz besonderer Zauber in der Luft, dem auch ich mich nur schwer entziehen kann. Ich freue mich aber auch auf die Wintersonnwende, wenn es abends länger hell bleibt und es endlich wieder Hoffnung auf Frühling gibt.«
»Aber denkt dran, dass Ihr euch dann noch stärker in Acht nehmen müsst. Ich kann nicht versprechen, dass ich Euch wie beim letzten Mal schützen kann«, widersprach Delba und die Feenkönigin lachte. »Der Trick mit dem Mantel war wirklich gelungen. Wo hast du ihn nur so schnell aufgetrieben? Delba zuckte mit den Schultern. »Das, geliebte Herrin, ist mein kleines Geheimnis. Und das soll es auch bleiben.« Dann wurde sie wieder ernst. Sie dachte an den irischen Jungen. Dylan. »Wieso habt Ihr mir nie gesagt, dass Ihr Jaydens Sohn unter eure Fittiche genommen habt?«, fragte sie schließlich. Ihr wusstet doch, wie sehr ich mich davor fürchte, ihm in meiner irdischen Existenz erneut zu begegnen.« Die Feenkönigin überlegte einen Moment, bevor sie antwortete. »Ich dachte, es könnte auch schön sein zu sehen, dass Jayden und Odelia glücklich geworden sind und eine Familie gegründet haben. Du hast von Anfang an gewusst, dass es uns nicht erlaubt ist, uns gefühlsmäßig so stark mit den Menschen zu verbinden, weil wir diese Liebe niemals werden leben können. Wir sind himmlische Wesen. Nicht mehr und nicht weniger …«
41. Marie Goldt
(Montag, 12. Dezember 2011)
Liebe Marie,
bin bis einschließlich kommenden
Sonntag verreist.
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