Goldmond
schwanden. Telarion musste sich eingestehen, dass er das zunehmende Spiel des Lichts im Wald genoss, während Gomaran es stirnrunzelnd zur Kenntnis nahm.
Zwischen ihm und seinem Milchbruder herrschte auch weiterhin Schweigen. Es war nicht die vertraute Stille, die sie beide verband, es war, als misstraue der Hauptmann seinem Fürsten.
Kein schönes Gefühl. Doch Telarion wusste nicht, wie er es hätte ändern sollen. Gomaran hasste das Feuer in ihm – einen Teil, den der Fürst um nichts in der Welt wieder hergegeben hätte.
Der Tag wurde wärmer, je näher das Heiligtum rückte. Vielleicht lag es am Aufgang der Roten Sonne, dass Telarion den Eindruck hatte, das Feuer in ihm würde genährt, sodass ihm schon bald unangenehm warm war. Aber vielleicht war es auch nur die ständig bergauf gehende Wanderung, die an seiner Kraft zehrte. Die Purpursonne hatte bereits ihren Zenit überschritten, und sie erreichten eine erste Anhöhe.
Unwillkürlich blieb Telarion stehen, als sein Blick zum ersten Mal auf den Tempel der Weisheit fiel. Fast wäre Gomaran in ihn hineingelaufen.
Die Wand des Berges Simalang war hier schroff und nur von wenigen Absätzen unterbrochen, die zu schmal waren, um darauf Landwirtschaft zu betreiben. Auf einem der größten schmiegte sich die Tempelanlage eng an den Berg.
Weit über Telarion waren weiß verputzte Gebäude zu sehen, die im Licht beider Sonnen so hell schimmerten, als wären sie silbern. Wahrscheinlich beherbergten sie die wichtigsten Räumedes Tempels, dessen Fenster in einem dunklen Rot bemalt waren, das beinahe in Violett und Purpur überging.
Während er weitermarschierte, konnte Telarion seinen Blick kaum von dem Gebäudekomplex abwenden. Mehr und mehr Details offenbarten sich, je weiter sie voranschritten. Schnitzereien unterhalb der Dächer waren zu erahnen, Malereien, die an den Säumen der Wände angebracht waren und durch den silbrig schimmernden Putz kaum zu erkennen.
An der östlichen Flanke der Felswand fiel ein Bach von einem Vorgipfel des Simalang herab. Das Donnern der Wasser war bis hier ins Tal zu hören. Auch unter dem fallenden Vorhang der Fluten waren Balkone, Pavillons und Brücken zu sehen, ebenso wie im Felsen westlich und hinter den Hauptgebäuden selbst Durchbrüche zu sehen waren, die man offenbar mit Einlegearbeiten aus gelbem Granit und Maßwerk aus rotem Sandstein gerahmt hatte. Aus einem vorspringenden, gewaltigen Fels oberhalb der Häuser hatte man überdachte Plattformen geschlagen und grün bemalt, sie ragten weit in die Luft des Tals hinaus.
Jedem der vier heiligen Elemente schien beim Bau Rechnung getragen worden zu sein: Wasser, Erde, Luft, Feuer. In der Mitte des Komplexes befand sich ein Turm, dessen Dach als Einziges in reinem Silber schimmerte. Wahrscheinlich war es mit Blattsilber belegt, zu Ehren des Schöpfergeistes der Harmonie, denn die Mönche und Shisanis, die hier lebten, fühlten sich der Ys verpflichtet.
Telarion wurde neugierig. Er erinnerte sich an den Palast der Stürme, in dem er so lange gelebt und in dem er seine Ausbildung als Heiler erhalten hatte. Der Palast der Stürme, den man auch den Tempel oder das Kloster des Ostens nannte, war ebenfalls in den südlichen Ausläufern des Zendargebirges gelegen, doch viele Tagereisen weit von diesem Ort hier entfernt. Man hatte ihn nicht so dicht an das Element der Erde gebaut wie diesen Tempel, der sich eng an die Bergflanke schmiegte, sondern aus duftendem Yondar- und Resatholz in die Qentarbäume gebaut. Sein Quartierdort war wenig mehr als eine hölzerne Plattform gewesen, deren Dach man den riesenhaften Blättern des Mayalabaums nachempfunden hatte.
Unwillkürlich fragte sich Telarion, wo man ihn hier unterbringen würde. Die weit ins Tal hinausragenden Plattformen aus Stein waren sicher für Luftmagier gedacht. Sie schwebten beinahe frei über dem Abgrund und waren mit den Felsen und den anderen Häusern über schmale Brücken verbunden. Der Gedanke, in einem Gemach zu wohnen, das so sehr den Räumlichkeiten im Palast der Stürme glich, gefiel Telarion.
Doch dann fiel ihm wieder ein, dass der Hauptmann der Mönche jetzt wusste, dass er auch Feuermagie in sich trug. Für Dunkelmagier waren sicher die Quartiere gedacht, die man in den Berg hineingehauen hatte, und die mit Galerien und dichtem Maßwerk abschlossen.
Nun, da sie dem Heiligtum immer näher kamen, war immer klarer zu erkennen, dass sie tief in den Berg hineinreichten. Vereinzelt waren in den Brüstungen Formen
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