Goldmond
ihrem Leben im Tempel befragt, konnte er doch schon jetzt einen gewissen Neid kaum unterdrücken. Es wäre ein Leben gewesen, das auch er hätte führen können, hätte sein Zwilling ihn nicht darum betrogen.
Dann war da noch Gomaran, sein Gefährte. Der Einzige, der nach dem Tod Tarinds noch zu ihm hielt. Er dachte an den Moment in der Steppe von Entarat, nachdem er mit kaum mehr als einem Wasserschlauch und einem Stück Brot aus dem Heerlager geflohen war und in dem Gomaran aufgetaucht war: mit Reittieren, Decken, ein wenig Ausrüstung.
Nicht ein Mal hatte der Gefährte gefragt, wie es zum Tod Tarinds gekommen war, warum Telarion es getan hatte – nicht ein Mal hatte er davon gesprochen.
Nun saß der Mann, mit dem er aufgewachsen war, neben ihm, löffelte das Gemüse, das die Mönche mit ein wenig Getreide gekocht hatten, mied dabei den Blick des Milchbruders und schwieg.
Mit einem Mal ertrug Telarion dieses Schweigen nicht mehr.
»Willst du mir nicht endlich die Frage stellen, die dir auf der Zunge brennt?«, wollte er halblaut wissen. Die Mönche sollten nicht mitbekommen, was gesprochen wurde.
Gomaran antwortete erst nach einer Pause und ohne ihn anzusehen. »Ihr habt mir bisher nicht erzählt, wie es in Euch aussieht, Daron. Es ist wohl kaum an mir, Eurem Diener, Euch zu einer Beichte zu drängen, die Ihr nicht für nötig haltet.«
Der Vorwurf war deutlich, und Telarion konnte ihn gut nachempfinden. Das Feuer Sanara Amadians hatte ihn ergriffen, ohne dass er selbst dies gewollt oder beabsichtigt hätte – der Schöpfergeist der Harmonie hatte ihm dieses Feuer gegen seinen ausdrücklichen Willen geschenkt. Und so wahr diese Begründung sein mochte, sie klang sogar für ihn wie eine Ausrede. Er selbst hatte es forciert: Er hatte Sanara Amadian gefangengenommen, war in ihre Magie eingedrungen – etwas, das einem Heiler verboten war –, und in seinem Hochmut hatte er sie dem Tod entrissen, als ihre Seele den Körper bereits verlassen hatte. Dass er nun ihre Magie in sich trug, war Geschenk und Strafe zugleich.
Die Folgen seiner Taten auf den Schöpfergeist der Harmonie zu schieben, klang lächerlich und einfältig, und doch hatte er keine bessere Rechtfertigung anzubieten. Ein Hauszeichen war ein Geschenk. Niemand konnte es geben oder ändern – nur die vier Schöpfergeister selbst.
»Ich wusste nicht, wie ich es dir sagen soll«, sagte er schließlich.
Zum ersten Mal wandte Gomaran ihm sein Gesicht zu. »Ihr seid Heiler. Ihr wart immer gerecht in meinen Augen und habt Vanar gedient. Er segnete Euch dafür mit der Gabe des Lebens wie keinen anderen aus unserem Volk. Dafür gebührt Euch meine Treue und meine Bewunderung.«
Sein Blick wanderte zu dem Wappen auf Telarions Brust, dasnotdürftig von den Resten des schwarzen Hemds bedeckt war. Der Fürst bezähmte seine plötzlich aufkommende Verlegenheit, um nicht an dem zerrissenen Stoff herumzuzupfen.
Als Gomaran das bemerkte, wandte er den Blick ab. »Mich wundert nicht, dass Ihr nicht zugeben wollt, dass sich diese Dunkelhexe Eurer Seele bemächtigt und sie verunreinigt hat«, sagte er dann. »Und doch enttäuscht es mich, dass Ihr mir das nicht sagen konntet.«
Telarion lag auf der Zunge, ihn zurechtzuweisen. Was wusste sein Milchbruder schon von der Wärme, die Sanara Amadian in ihm, Telarion, hinterlassen hatte! Davon, wie unverzichtbar die Magie dieser Tochter des Akusu ihm geworden war, wie sie den kalten Wind in ihm zum Wirbeln gebracht, seine Seele mit Leben gefüllt hatte!
Was wusste Gomaran schon davon, wie schwer es war, dieses Geschenk jeden Tag aufs Neue zurückweisen zu müssen, sich immer bewusst zu sein, dass es nie Erfüllung finden konnte.
Telarion wusste auf einmal, dass es keine Worte gab, mit denen er auch nur annähernd hätte beschreiben können, wie sehr seine Seele mit dieser Menschenfrau verbunden war.
»Ich könnte nicht ertragen, dass du dich vor mir fürchtest«, sagte er schließlich ausweichend. »Oder dass du denkst, ich sei nicht mehr ich selbst. Ich bin der, der ich immer war. Nur noch mehr.«
Gomaran schwieg und steckte schließlich das Stück getrockneten Rekarapfels, an dem er gekaut hatte, wieder in seine Tasche, als sei ihm der Appetit vergangen.
»Ich habe den Streit zwischen Euch und Tarind gehört, bevor Ihr ihm den qasarag in die Brust gestoßen habt«, sagte er dann. »Ich weiß, dass er es war, der Dajarams Tod zumindest billigte, ja, sogar ermöglichte. Niemand weiß, welchen Anteil Tarind
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