Goldmond
hatten – ein Larondar-Elb –, stürzte vor, um sich zu vergewissern, dass ihr nichts geschehen war.
Mit Abscheu sah Telarion, dass Ireti die Hand des Mannes nahm und leise zu weinen begann wie jemand, dem man größtes Unrecht antat. Er trat vor und stieß den Elb beiseite. Beinahe erwartete er, dass nun dessen Gefährten sich empörten und eingriffen, doch außer einem Raunen, das durch die Menge ging, hielten sie still.
»Ich weiß, Ihr glaubt, es sei ein Unrecht von mir, dass ich diese hier so behandle!«, rief er. »Doch ich sage Euch, sie hat Euch getäuscht! Sie ist die Witwe meines Bruders, ja, und ich bin …«, er hielt kurz inne, »… ich bin der, der meinen Bruder ermordete. Seid gewiss, dass ich diese Tat einst vor Ys und den Schöpfergeistern verantworten muss – und das werde ich erhobenen Hauptes! Denn ich schwor, das Leben zu achten, wo ich es finde – und es meinem Zwilling zu nehmen, war ein Verbrechen, das keine Sühne kennt. Doch es musste getan werden, denn mein Bruder, euer König, wurde von dieser hier dazu verführt, das Leben zu missachten und dem Tod um der Macht willen zur Herrschaft zu verhelfen!«
Stille hatte sich der Männer bemächtigt, eine Stille, in der Telarion seine Worte wirken ließ.
»Sie ist eine Herrin der Seelen«, sprach er schließlich in das Schweigen hinein weiter. »Sie vermag den Nebeln der Jenseitigen Ebenen Gestalt zu verleihen. So machte sie auch euch allen Angst und brachte euch dazu zu tun, was ihr nützte. Ihr selbst habt gesehen – und unter euch immer wieder darüber gesprochen –, dass Geister in diesem Lager umgehen! Jene Geister, die den Seelenherren unter den Menschen gehorchen müssen!«
In der nun folgenden Stille hätte man hören können, wie eine Feder zu Boden fiel. Doch nur das schwere Atmen der Königin war zu vernehmen, auch wenn Telarion nicht hätte entscheiden können, ob ihr Atem aus verhaltenem Zorn oder aus Angst so heftig ging.
Plötzlich entlud sich Wut zwischen den Elben, die nicht zu den Männern des Dhabyar und seiner Hohen Tochter gehörten. Rufe klangen durcheinander, Rechtfertigungen, Schreie des Zorns.
»Ich tat es, weil ich Gerechtigkeit für die Welt wollte«, übertönte Ireti schließlich den Lärm. »Der Schöpfergeist sei mein Zeuge, ich wollte nichts anderes als den Frieden!«
»Und Ihr tötetet dafür meinen Vater!«, schrie Telarion. Seine Hand fuhr an ihre Kehle. Auch als Ireti würgte, ließ er nicht locker. »Nein, erzählt mir und allen, die Verstand besitzen, nicht, Ihr wolltet den Frieden, Verräterin! Ihr sorgtet dafür, dass mein Bruder sich gegen meinen Vater wandte, Ihr habt dem Höchsten der Menschen die Seele aus dem Leib gerissen und selbst mich dazu gebracht, Euch darin zu unterstützen! Ihr habt den Vernichtungskrieg gegen die Menschenfürsten geschürt, ließet meinen Zwilling und mich wieder und wieder Unrecht gegen den Frieden tun, den Ihr zu verteidigen behauptet! – Nein«, fuhr er ruhiger fort, »Ihr wollt keinen Frieden. Ihr wollt den Krieg. Ihr wollt das Chaos! Und ich will, dass Ihr das hier und jetzt zugebt, dass Ihr das Siegel der Ys in Eure Gewalt gebracht habt und es nun quält!«
Ireti antwortete nicht. Ihre Augen brannten, sie rang nach Luft.
»Los, sagt es, damit diesem Schauspiel endlich ein Ende gemacht werden kann!«, schrie Telarion in höchstem Zorn. »Sagt es, bevor ich selbst das Urteil fälle und auch vollstrecke, denn ich werde König sein, nicht Ihr! Ihr stürzt die Welt ins Unglück, damit Ihr herrschen könnt, und geht dabei über Leichen!«
Ireti spuckte aus. Sie sah sich um, doch keiner der Anwesenden kam ihr zu Hilfe. Es war, als würden ihre eigenen Männer darauf warten, dass sie den Fürsten, den sie nun über viele Mondumläufe hinweg als Schurken bezeichnet hatte, selbst ausschaltete.
Die anderen schienen von Telarion noch eine letzte Begründung zu erwarten, die seine eigenen Verbrechen rechtfertigten, welche er vor dem Antlitz des Goldmonds begangen hatte.
Es war Ireti selbst, die das Schweigen brach. »Ihr habt schon längst verloren, Schwager«, sagte sie schließlich mit rauer Stimme und wand sich mit einer überraschend kraftvollen Drehung aus seinem Griff.
»Ihr wisst es nur noch nicht! Ihr habt den Schmied gegen meinen Bruder gehetzt, doch das Siegel der Ys ist Euch verloren. Es ist in meiner Hand, es wird in den Nebeln festgehalten, und keinMondgeschöpf wird es mehr aus der Fessel befreien können, mit der ich es belegte!«
Ihr Gesicht
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