Goldmond
folgte ihm. Ys würde den Zenit bald erreicht haben.
Instinktiv wusste Telarion, dass dies die Zeit gewesen wäre, das Siegel zu lösen, das Ys einst gemacht hatte, um ihren Geliebten in die Leere zu bannen.
Telarion lauschte in die Dunkelheit. Der Musikant hatte versichert, dass in dieser Nacht die Abgesandten der Elbenfürsten eintreffen würden. Es war logisch, dass auch sie, die den Schöpfergeistern nahestanden, wussten, dass gerade der Lauf des Silbermonds in dieser Nacht wichtig sein würde. Doch obwohl durchaus Geschäftigkeit im Lager zu vernehmen war – Rufe, Schritte, auch ab und zu Gelächter und Scherze, so als wäre dies nichts weiter als eine normale Nacht, in der elbische Soldaten ihren Beschäftigungen nachgingen –, war da kein Aufruhr, den das unerwartete Eintreffen einer Elbendelegation hervorgerufen hätte.
Telarion entschied, dass er es allein versuchen müsse. Er konnte nicht länger warten. Sanara war in Gefahr und damit ihre Mission. Er wollte gerade den schützenden Schatten des Baums, hinter dem er stand, verlassen, als er das Rascheln und Knacken von nahenden Schritten im Hain vernahm. Die Schritte – es waren mehrere Verursacher, mindestens zehn – hielten plötzlich inne. Wahrscheinlich hatten sie ihn bemerkt. Telarion blieb stehen und wandte sich erhobenen Hauptes um. Er ahnte, dass es sich um Elben handelte. Die Temperatur, in der Wüstennacht ohnehin nicht sehr hoch, war gefallen, und ein zwischen Öl- und Itaya-Bäumen ungewohnt feuchter Luftzug hatte ihn erfasst.
Wieder knackte es, und die Silhouette eines hochgewachsenen Mannes löste sich aus den tiefen Schatten des Hains.
Als Telarion der bittere Duft zerriebener Mayalablätter in die Nase stieg, lächelte er unwillkürlich.
»Gomaran«, sagte er halblaut. Einen Augenblick später war der Milchbruder auf ihn zugekommen und hatte in einer spontanen Geste seinen Arm um ihn gelegt.
»Mein Fürst.« Der Großsohn des Dumi von Mundess nickte.»Verlegen wir eine formelle Begrüßung auf später«, sagte er hastig, bevor Telarion fragen konnte. »Wir sind bereits heute Mittag hier eingetroffen, doch wir hielten uns bisher versteckt. Wir haben das Lager der Verräterin umkreist, ich und drei andere – Gahariet, ein Abgesandter des Fürsten von Nisan und Euer Vetter aus Kantis sind bei mir. Ich bringe Euch die Grüße des Dumis von Mundess. Er steht Euch in Eurer Sache bei.« Er wandte sich um.
Seine drei Gefährten nickten respektvoll, aber nur Gahariet trat vor. »Daron Norandar, die Fürstenhäuser der Elben stehen hinter Euch. Sie werden der falschen Königin die Gefolgschaft verweigern und sie in jedem Fall zwingen, sich dem Urteil der Fürsten unseres Volkes zu stellen – wenn Ihr bereit seid.«
Der Eiselb, der neben Gahariet stand, nickte gemessen. »Wir kennen uns nicht persönlich, Daron, aber wir haben dieselbe Großmutter – die Mutter der Yveth. Ich folge Euch allein um dieser Bande willen. Es wäre mir zuwider, von einer geführt zu werden, die die Kräfte des Goldmonds so verspottet, wie Ireti von Larondar dies tut.«
Telarion neigte den Kopf. »Ich danke Euch allen«, sagte er nach einer Pause. »Doch lasst uns den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun. Wir müssen dieser Dunkelzauberin die Möglichkeit nehmen, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen – den Schöpfergeist des Chaos für ihre Zwecke zu entfesseln.«
Das Lager lag immer noch in trügerischer Ruhe vor ihm.
Kurz dachte Telarion daran, dass er von hinten in Iretis ethandin eindringen könne. Es stand etwas abseits der anderen Zelte und nicht, wie sein Zwilling es vorgezogen hatte, im Zentrum. Wahrscheinlich hoffte sie so, dass ihre Reisen in und durch die Nebel weniger auffielen, als sie es auf dem Heerzug getan hatten. Dort waren dank der unnatürlichen Ruhe des Zelts und der Düsternis ihre ständigen Übertritte auf die Jenseitigen Ebenen nicht unbemerkt geblieben, wie Telarion bereits von Ronan wusste.
Sie passierten das Lager, und niemand hielt sie wirklich auf. Sie waren Elben. Aber auch wenn ein Heiler, dem drei offenbarranghöhere Elben folgten, einen ungewöhnlichen Anblick darstellte – die Hundertschaft der Elben hatte sich daran gewöhnt, dass Gesandtschaften des Heers vor Sirakand hier eintrafen und der Königin und ihrem Halbbruder Meldung machten.
Erst vor dem ethandin der Königin wurde Telarion aufgehalten. Ein Larondar-Elb, offenbar ein Verwandter der Königin, mit Augen, in deren dunkler Iris die längliche, goldene
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