Goldmond
verzog sich zu einem Lächeln, das unendlich sanft war und in seiner Entspanntheit allen Frieden der Welt widerzuspiegeln schien.
Telarion schauderte, als sie das Siegel erwähnte. Er wusste nur zu gut, so gut wie sie, dass das Siegel in Sanara existierte und die Königin damit auch Sanaras Leben in der Hand hielt.
Nur die Tatsache, dass sie offenbar in den Nebeln gesehen hatte, dass Sinan – denn wer sollte es sonst gewesen sein? – General Iram getötet hatte, ließ ihn nicht sofort zum Tempelberg hinauflaufen, um nach Sanara zu suchen.
Er begriff, dass Ireti das auch gesagt hatte, um ihn zu verunsichern. Dennoch, das Lächeln auf ihren Zügen wurde ein wenig breiter, auch wenn es immer noch nicht die dunkelblauen Augen in ihrem Gesicht erreichte. Die porzellanene Blässe ihrer Haut und die dunklen Haare, die im Nachtwind in ihr Gesicht wehten, schienen das Geisterhafte ihrer Gestalt nur zu unterstreichen.
Er setzte zu einer Erwiderung an.
Doch sie kam ihm wiederum zuvor, wandte sich zu ihren Männern um und schrie: »Ergreift diesen Mörder! Er war es, der Euren gewählten König tötete!« Damit wandte sie sich wieder ihm zu, um ihn mit unendlicher Überheblichkeit anzusehen. »Ihr gewinnt nicht, Fürst. Das Siegel gehört mir«, wisperte sie mit einer Stimme, von der er nicht wusste, ob er sie wirklich hörte oder ob sie in seiner Seele widerhallte. »Es gehört mir wie die Macht, die es birgt. Das Gleichgewicht wird herrschen. Mit mir, denn ich bin das Werkzeug, in dem sich dunkle und goldene Magie vereinen.«
Sie schien zu erwarten, dass zumindest die Larondar-Elben ihn, den Kantisi, Gomaran und Gahariet ergriffen. Doch nichts rührte sich. Nur ein kurzer Blick zur Seite verriet ihre Unsicherheit, als Telarion endlich antwortete.
»Ich wollte Euch die Gelegenheit geben, Eure Fehler zu bereuen«, sagte er. »Doch ich bin Heiler der zweiten Ordnung. Ichwerde Euch nicht dem Rat der Elbenfürsten übergeben, gegen dessen Gesetze Ihr verstoßen habt. Der Schaden, den Ihr der Schöpfung zufügt, ist zu groß.«
Er holte mit dem Schwert aus, als er hörte, wie sie leise lachte. »Glaubt Ihr wirklich, Fürst«, sie sprach das Wort mit Spott aus, »dass Ihr mich töten könnt?«
Sie warf den Kopf in den Nacken und stieß ein Lachen aus, das die Stille in grauenhafter Weise durchschnitt und die wenigen Elben, die zu ihren Waffen gegriffen hatten, inmitten der Bewegung stocken ließ.
Ihr Lachen verebbte, und auf einmal war kehliger Gesang zu hören.
Telarion erschrak zutiefst, als die ersten Töne der Melodie sein Ohr erreichten. Er kannte das Lied. Jeder Elb kannte es, auch ohne es gehört zu haben. Die Tonfolge, die Kadenz war die, die nur wenige Menschen, wenige Seelenherren wirklich beherrschten. Denn es war ein Lied, das Syth einst einen Flötenspieler gelehrt hatte, als das Jüngere Volk die Schlacht von Kizil, die Schlacht des Leids, zu verlieren drohte. Es waren Töne, die keine Worte kannten und die doch alle Magie des Lebens zu Asche verbrannten, den Sturm erstickten und die Seelenquellen mit dem Blut der Toten vergifteten.
Telarion schrie vor Schmerzen auf, als die ersten Töne ihn erreichten. Aus dem Augenwinkel sah er, dass die elbischen Soldaten so reagierten wie er selbst: Sie ertrugen den Gesang nicht, waren in die Knie gegangen und schlugen entsetzt die Hände vor die Ohren.
Sie schienen kaum noch reagieren zu können, und Telarion fragte sich, wieso er noch stand. Die Töne quälten ihn unsäglich, doch davon abgesehen, dass er das Gefühl hatte, jemand reiße ihm die Wurzeln seiner Magie aus der Seele, blieb er bei Sinnen.
Dann fiel es ihm ein: Sanara. Er trug ihre Flamme in sich, unwiderruflich, und so konnte ihm der Gesang nicht so sehr schaden, wie er den reinblütigen Elben schadete.
Er warf einen raschen Blick auf die Menge. Auch den Larondar-Elben ging es ähnlich wie ihm, das Lied quälte sie, doch es setzte sie nicht außer Gefecht. Sie hatten begonnen, den anderen Soldaten des älteren Volks die Waffen abzunehmen.
Unbändiger Zorn ergriff Telarion. Seine Finger umfassten das Heft des daikons , das Sinan ihm gemacht hatte, jetzt so fest, dass sich seine Magie auf die Klinge übertrug und die eingegrabenen Symbole des Lebens und des Windes zu leuchten begannen.
Er umklammerte das Heft mit beiden Händen, so wie die einschneidige, gebogene Waffe der Elben ursprünglich geführt wurde, und holte aus.
Ireti sah es nicht, sie hielt die Augen in ihrem blassen Gesicht weiterhin
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