Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall
in Kenntnis setzen …, dass ich mich dazu entschlossen habe, die staatsanwaltlichen Ermittlungen in den beiden von Ihnen zur Zeit bearbeiteten Mordfällen in andere Hände zu übergeben.«
»Was? Wieso denn das?«
Tannenbergs Verblüffung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
»Es ist mir wirklich äußerst unangenehm«, wiederholte sich Dr. Hollerbach, der aussah, als ob er gerade in eine Zitrone gebissen hätte. »Aber es gibt leider keinen anderen Weg, Herr Hauptkommissar!« Er stockte. »Dr. Croissant hat mich nämlich vorhin darüber unterrichtet, dass Ihre Mitarbeiter gerade dabei sind, den Vorstandsvorsitzenden des Finanzunternehmens Midas-Power-Investments unter dringendem Tatverdacht festzunehmen und ihn dann hierher zu bringen.«
»Das haben Sie direkt von diesem schmierigen Firmenanwalt erfahren? Das ist ja wirklich hochinteressant!«
»Ja Gott, genau darin liegt ja das Problem«, sagte der Oberstaatsanwalt, während er mehrere Male seine halbgeschlossenen Fäuste erhob und sie wieder schlaff auf Tannenbergs Schreibtisch fallen ließ. »Wir kennen uns doch alle aus dem Golfclub. Und mit dem Christian Berger bin ich sogar per du.«
»Ach so, jetzt versteh ich endlich: Sie wollen mir damit sagen, dass Sie in den beiden Fällen befangen sind.«
»Ja, ich bin befangen«, gebar Dr. Hollerbach seufzend das eigentlich für ihn Unaussprechbare und rang anschließend wie ein Asthmatiker nach Atemluft.
Tannenberg wurde das Gefühl nicht los, dass ihm sein Gegenüber etwas Wesentliches verschwieg, deshalb bohrte er nach: »Da ist doch noch etwas, Herr Oberstaatsanwalt, was Sie mir sagen sollten, oder?«
»Na gut …« Es folgte ein energischer Schlag mit der Faust auf den Tisch: »Ich hab eben auch …«, Dr. Hollerbach schluckte, »Geld bei dieser Firma angelegt.«
»Also: Befangenheit im doppelten Sinne«, resümierte der Kripo-Leiter scheinbar gelassen, während in seiner von dem ranghöchsten Vertreter der Kaiserslauterer Staatsanwaltschaft in der Vergangenheit häufig arg malträtierten Seele derweil ein gigantisches Feuerwerk der Schadenfreude abgebrannt wurde.
»Jetzt ist mir natürlich auch klar, warum Sie die Ermittlungen in den beiden Mordfällen abgeben wollen«, fuhr er fort. »Was sag ich wollen – müssen! Sie müssen Sie abgeben, weil Sie selbst involviert sind! Wie tief stecken Sie denn eigentlich in der ganzen Sache drin? Muss ich womöglich jetzt sogar gegen Sie ermitteln?«
»Jetzt hören Sie aber mal auf, Tannenberg! Lassen Sie mal die Kirche im Dorf!«
»Chef, der Schauß ist wieder da und hat den Verdächtigen dabei«, tönte plötzlich eine blecherne Stimme aus der Gegensprechanlage.
»Sag ihm, er soll mit unserem Gast ins Vernehmungszimmer gehen. Ich komm gleich nach«, entgegnete Tannenberg und wandte sich wieder an den Oberstaatsanwalt. »Ist Ihnen doch recht, wenn Sie ihm jetzt nicht über den Weg laufen müssen, oder?«
Dr. Hollerbach sagte nichts, sondern nickte nur dankbar.
Als der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission wenig später den Firmenchef in Begleitung seines Rechtsbeistandes in dem fensterlosen Raum sitzen sah, fiel ihm sofort die äußere Ähnlichkeit der beiden Männer auf, die sich allerdings weniger auf die Gesichter und den Habitus der Personen, als vielmehr auf deren Einheitskleidung bezog: dunkler Anzug, schwarze Schuhe und Socken, gleiche mit dicken, schrägen Querstreifen versehene Seidenkrawatten.
›Klamotten-Kloning‹ schob sich plötzlich ein merkwürdiger Kunstbegriff in Tannenbergs Bewusstsein, den er vorher noch nie gehört hatte, der ihm aber auch nicht so sonderlich gut gelungen schien, dass er das Gefühl hatte, ihn konservieren zu müssen. Um sich von diesem abschweifenden Blödsinn zu befreien, begann er einfach zu sprechen – ein in der Vergangenheit oft erfolgreiches Mittel gegen die aufdringlichen Ablenkungsversuche seines inneren Quälgeistes.
»Guten Tag, Herr Berger, mein Name ist Tannenberg. Ich bin als leitender Hauptkommissar für die Ermittlung in den beiden vorsätzlichen Tötungsdelikten, begangen an dem Finanzvorstand der Firma FIT.net , Susanne Niebergall, und dem Obdachlosen Alfred Tauber, genannt ›Bomben-Fredi‹, zuständig. Ich nehme an, mein Kollege, Kriminalkommissar Schauß, hat Sie über Ihre Rechte bereits bei der vorläufigen Festnahme belehrt.«
»Ja, das hat er«, antwortete der sehr gepflegte, dezent gebräunte Enddreißiger und rückte mit einer schnellen Bewegung seiner ungefesselten Hände die
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