Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall
fröhlich – optimistisch – sympathisch. Sie verkörpern genau das, was ein Finanzberater unbedingt ausstrahlen muss: Zukunftsoptimismus! Denn, seien Sie mal ehrlich: Würden Sie bei einem depressiven Grieskram Ihr Geld anlegen wollen?«
»Nein, natürlich nicht.« Geiger lachte.
»Sehen Sie. Da sind wir uns doch ganz schnell einig. Also kommen wir am besten gleich zur Sache.« Carlo Weinhold fixierte sein Gegenüber mit eiskalten, stahlblauen Augen. »Was haben Sie uns denn heute Morgen Schönes mitgebracht?«
Stolz präsentierte Armin Geiger das Ergebnis seiner Klientengenerierung, wie man die Neukundengewinnung bei MPI – so die prägnante Kurzfassung des Firmennamens – nannte.
Der betont dezent gestylte Vertriebscoach blätterte die Investmentverträge durch.
»32 neue Klienten. Und das in nur 3 Monaten. Meinen Respekt, Herr Geiger! Wenn Sie so weitermachen, sind Sie in einem halben Jahr Magnum Consultant. Und Sie wissen ja, was das bedeutet.«
Natürlich wusste Geiger, was das bedeutet.
Aber als Beweis seiner bedingungslosen Unterwürfigkeit zerstörte er nicht die Pointe seines Mentors, sondern wartete, bis dieser, wie ein Dirigent mit dem Taktstock, seinem nebenberuflichen Mitarbeiter das erwartete Startsignal gab.
Wie aus der Pistole geschossen legte er dann aber sofort los: »Magnum Consultant: Zweite Stufe auf der MPI -Karriereleiter, Großkundenbetreuung, Mentor eines eigenen Stabs von Junior Consultants und …«
»Und noch mehr Geld!«, vollendete Weinhold den Satz. »Sehr gut, Herr Geiger. Sie sind unser Mann. Der Chef hat noch viel mit Ihnen vor, soll ich Ihnen übrigens von ihm persönlich ausrichten.«
»Wirklich?«, fragte der Kriminalbeamte mit glänzenden Augen.
»Ja. Das waren exakt seine Worte. Und nun zur Abrechnung.« Carlo Weinhold zog einen vorbereiteten Scheck aus seiner Dokumentenmappe. »Das haben wir ja schnell. Da brauchen wir keinen Taschenrechner, oder Herr Geiger?«
»Nein, das kriegen wir auch so hin.«
»Dann rechnen Sie mal vor.«
Diese faszinierende Kalkulation hatte Kriminalhauptmeister Geiger in den letzten Tagen und Nächten schon so oft im Kopf durchgerechnet, dass er die Summe sofort hätte auswendig aufsagen können. Aber er spürte, dass sein Mentor jetzt etwas anderes von ihm erwartete. »32 Abschlüsse mal 2.000 Euro Provision für mich, ergibt zusammengerechnet genau 64.000 Euro.«
»64.000 Euro.« Weinhold lauschte andächtig dem Nachhall dieser beeindruckenden Zahl. »64.000 Euro. Dafür muss eine alte Frau ganz schön lange stricken! Nicht wahr, Herr Geiger?«
»Ja, das stimmt!«, bestätigte der Angesprochene kopfnickend.
»Und Sie haben diese enorme Geldmenge bei uns in nur drei Monaten verdient! Wahnsinn, oder?«
»Das ist wirklich Wahnsinn!«
»Ein Monatsverdienst von über 20.000 Euro. Unglaublich, Herr Geiger, oder?«
»Das ist wirklich unglaublich.«
Carlo Weinhold zückte seinen goldenen Füllfederhalter, schraubte theatralisch die Verschlusskappe ab und trug behutsam die fünf Ziffern und ihre Buchstabengeschwister in die dafür vorgesehenen Felder ein. Anschließend setzte er mit langsamen Schwungbewegungen seine Unterschrift in das Scheckformular. Dann hielt er das wertvolle Papier vor seinen Mund und ließ seinen warmen Atem wie einen trocknenden Sommerwind zart über die noch feuchten Buchstaben streichen.
»So, Herr Geiger, Sie sind von nun an ein reicher Mann«, sagte der Vertriebsleiter der Firma Midas-Power-Investments und überreichte einem seiner verkaufsstärksten Mitarbeiter den wertvollen Barscheck. »Ihnen ist allerdings klar, welche Verantwortung MPI mit der Ausschüttung dieser gigantischen Gewinnbeteiligung an Sie überträgt? Wir haben es ja schon telefonisch besprochen. Und an die langjährigen Gepflogenheiten bei uns werden Sie sich natürlich auch gebunden sehen, oder Herr Geiger?«
»Natürlich.«
»Gut. Das sind ja schließlich auch Investitionen in Ihre goldene finanzielle Zukunft.«
»Natürlich.«
»Die meisten Leute würden diesen Scheck jetzt zu Ihrer Sparkasse bringen und ihr Geld in irgendeiner unrentablen Anlageform verkümmern lassen. Aber wie hat mein alter Vater, ein Rodenbacher Bäuerlein, immer gesagt: »Geld darf nicht faul auf der Bank rumliegen. Es muss arbeiten, bis es schwitzt – so wie ich.«
»Das ist ein guter Spruch«, stimmte Geiger lachend zu.
Carlo Weinhold setzte eine bedenklichere Miene auf. »Es wissen einfach immer noch viel zu wenige Menschen von den unglaublichen
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