Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall
sich bitte an meinen Mentor, Herrn Weinhold, wenden.«
»Klar, der Carlo ist für solche größeren Brocken zuständig. Hätte ich ja auch selbst dran denken können.«
Wenige Augenblicke später bekam Geiger den Autoschlüssel ausgehändigt. Nachdem er den Carrera noch auf dem Firmengelände zwei Mal abgewürgt hatte, stotterte er mit schleifender Kupplung und hochrotem Kopf im ersten Gang hinaus auf die Merkurstraße.
Doch bereits an der nächsten Ampel hatte er sich schon ein wenig an sein neues Auto gewöhnt, spielte begeistert mit dem Gaspedal und lauschte ergriffen dem ungewohnten, bullig-röhrenden Sound. Schon nach wenigen Kilometern wurde er immer sicherer bei der Bedienung des über 300 PS starken Sportwagens.
Nun musste allerdings noch etwas sehr Wichtiges getan werden, etwas absolut Notwendiges.
Ohne diesen symbolischen Akt konnte er sein neues Leben nicht beginnen.
Wie ein hungriges Raubtier, das auf der Suche nach einem geeigneten Opfer intensiv die Umgebung ausspäht, durchstreifte er hochkonzentriert sein neues Revier: die Ausfallstraßen am Rande der Stadt.
Am zweispurigen Anstieg oberhalb der Universität fand er endlich, was er die ganze Zeit über gesucht hatte.
Die Ampel war rot.
Mit provokativer Coolness brachte er seinen Carrera direkt neben einem getunten Opel Astra zum Stehen. Betont lässig blickte er arrogant hinüber zu dem jungen Fahrer, der sich verkrampft ans Lenkrad klammerte.
Geiger wusste nur zu gut, wie es in dem armen Kerl jetzt aussah.
Da war dieser unglaubliche Frust darüber, dass er mit seinem aufgemotzten Auto nicht die geringste Chance gegen den Porsche hatte.
Da war dieser tiefsitzende Neid gegenüber diesem Geldsack, der sich im Gegensatz zu ihm einen Porsche leisten konnte.
Da war dieser unbändige Hass auf alle Reichen, denen man ihr Geld abnehmen müsste.
Geiger spielte provozierend mit dem Gaspedal. Ließ die Kupplung ein wenig kommen, so dass sein Wagen ein paar Zentimeter nach vorne rollte.
Aber nur ein paar Zentimeter.
Jetzt gafft dieser Jungprolo auch noch aggressiv zu mir rüber!
Gelb!
»Scheiß Proletenkarre!«, schrie der ehemalige Opel-Astra-Fahrer in Richtung des anderen Autos, trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch und ergötzte sich an dem unglaublichen Beschleunigungsschub, der ihn mit enormer Kraft in den roten Ledersitz drückte.
Ein wohliger Schauer lief ihm über den Rücken, als er im abgetönten Rückspiegel seine eigene Vergangenheit sich langsam verflüchtigen sah.
3
Auf Wolfram Tannenberg wartete ein außergewöhnlicher Tag; ein Tag, den er nie mehr vergessen sollte.
Es war einer von dieser ganz üblen Sorte; einer von denen, die man im Nachhinein am liebsten mit einem rotglühenden Eisenstab aus der eigenen Biographie gebrannt hätte.
Ein Tag wie ein Keulenhieb.
Alles begann damit, dass er nach einer langen Ermittlungsnacht von asthmatischem, heiserem Hundekläffen abrupt aus seinem wohlverdienten Erholungsschlaf gerissen wurde. Da er dieses markante Geräusch schon des Öfteren in seinen Alpträumen vernommen hatte, dachte er zunächst, dass ihm sein undisziplinierbares Gehirn wieder einmal einen makaberen Streich spielen wollte.
Das einzige Mittel, mit dem er diesen psychischen Foltermaßnahmen wirkungsvoll begegnen konnte, bestand darin, sich kurz in einen Wachzustand zu versetzen und auf diese Weise die grauenhaften Traumgespinste zumindest für einige Zeit zu verscheuchen.
Also öffnete er widerwillig die verklebten Augenlider und schaute blinzelnd auf die fahl erleuchteten Digitalziffern seines Radioweckers, die ihn dezent darauf hinwiesen, dass die Morgenstunden, die ja angeblich Gold im Mund haben sollen, bereits zur Neige gegangen waren.
Aber das nervenzerfetzende Bellen und Jaulen verstummte nicht.
Warum ist dieses elende Mistvieh überhaupt bei uns im Haus, dröhnte es wütend hinter seiner schmerzenden Schädeldecke. Dieser Krach hört sich doch genau so an, wie bei diesem fetten kleinen Köter, der vor einem Jahr die tote Katze unten vorm Seiteneingang gefunden hatte. Wie hieß noch mal die alte Frau, die ihn ausgeführt hatte und die vor lauter Aufregung in Ohnmacht gefallen war, als sie die Pilze in der aufgeschlitzten Kehle der Katze gesehen hatte? Lang? … Braun? … Nein: Faber, Erna Faber! Genau!
Ach, die Frau besucht bestimmt nur meine Eltern, versuchte er sich selbst zu beruhigen. Erleichtert drehte er sich auf die andere Seite und zog die karierte Bettdecke über seinen Kopf. Die geht bestimmt
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