Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall
wieder im Suff untereinander gestritten. Dann hat der eine den anderen umgebracht und ihn anschließend auch noch beklaut. Oder es war’n Racheakt wegen der Sache mit dem Totschlag vorm halben Jahr. Was weiß ich! Na ja, du und Geiger wisst ja, wie die Ermittlungen in solch einer Sache auszusehen haben. Ihr braucht euch ja nur die Akten von diesem anderen Fall zu holen. Dann geht ihr alle Aussagen durch – vielleicht findet ihr ja einen Anhaltspunkt. Ansonsten bedeutet das eben viel Befragungs- und Laufarbeit. Aber ein zukünftiger Kommissariatsleiter muss das schließlich aus dem Effeff beherrschen, damit er seinen Untergebenen später auch die richtigen Instruktionen geben kann.«
Michael Schauß schluckte seinen Ärger hinunter. „Muss ich das wirklich gemeinsam mit dem Geiger machen. Kann ich nicht den Fouquet ...«
„Tut mit Leid«, würgte ihn Tannenberg gleich ab. „Also erstens brauch ich den Fouquet bei meinem Fall und zweitens muss jemand mit deinen Ambitionen rechtzeitig lernen, dass man sich in unserem Job manchmal seine Mitarbeiter nicht aussuchen kann, und sich mit dem arrangieren muss, was man eben hat.«
Obwohl Wolfram Tannenberg eigentlich immer froh war, wenn er wenigstens am Wochenende seine Dienststelle nicht von innen sehen musste, hatten ungelöste Mordfälle, welche die geplanten Freizeitaktivitäten aller Mitarbeiter des K1 enorm einschränkten, auch etwas Gutes, schließlich befreiten sie ihn von der samstäglichen Pflicht, die Markteinkäufe für die gesamte Familie zu erledigen. Irgendwann einmal hatte er sich nämlich aus freien Stücken als Sherpa angeboten, und ehe er sich versehen hatte, war von der lieben Familie daraus ein Gewohnheitsrecht abgeleitet worden.
Da ihn aber brennend interessierte, ob die Marktbeschicker an diesem Samstagmorgen tatsächlich ihren angedrohten Streik durchführten, entschloss er sich spontan, einen neugierigen Abstecher in die Innenstadt zu unternehmen. Von seinen lästigen Einkaufsverpflichtungen völlig befreit, schlenderte er gut gelaunt vom Pfaffplatz kommend zuerst durch die unbelebte Haagstraße, passierte dann das St. Franziskus-Gymnasium und danach das mächtige Karstadt-Gebäude. Ein kurzer Blick auf das wieder als Parkplatz genutzte Gelände, auf dem noch bis vor ein paar Jahren das alte Pfalztheater gestanden hatte, überzeugte ihn davon, dass dort jedenfalls heute kein Wochenmarkt stattfand.
Über die Ampel an der Hypovereinsbank betrat er die Fußgängerzone und erreichte, nachdem er auf dem unebenen Verbundsteinpflaster drei Mal gestolpert war, kurze Zeit später den neu gestalteten Stiftsplatz, auf dem früher immer der Markt angesiedelt war, der aber seit mehr als zwei Jahren grundsaniert wurde. Mit diesem Wort hatten jedenfalls die so genannten Stadtväter diesen Chaos-Aktionismus bezeichnet, der sich im Laufe der Zeit immer mehr zu einem gewaltigen Bauskandal ausgewachsen hatte.
Wenn es Tannenberg zu entscheiden gehabt hätte, wäre auf dem Stiftsplatz sowieso ein antiker Tempel errichtet worden, ähnlich der Styropor-Fassade, die ein weithin bekannter Stargeiger als dekorative Kulisse anlässlich seines Konzerts hatte errichten lassen – und die leider bereits am nächsten Abend genauso schnell wieder verschwunden war, wie sie zwei Tage zuvor in Rekordtempo quasi aus dem Nichts gestampft worden war.
Original Chinesisches Granit, murmelte er mehrmals kopfschüttelnd vor sich hin, als er sich in seinem Lieblingscafé direkt am Stiftsplatz niedergelassen hatte und dort auf die Bedienung wartete.
Nachdem er sich ausgiebig über den sündhaft teuren exotischen Bodenbelag des neuen/alten Marktplatzes geärgert hatte, nippte er an seinem geliebten Milchkaffee und harrte befriedigt der Dinge, die an diesem Tag noch auf ihn warteten. Ja, man konnte durchaus behaupten, dass dieser trübe Novembertag versprach, noch richtig spannend zu werden.
Schließlich hatte die Rheinpfalz in ihrer heutigen Ausgabe einen Zeugenaufruf an die Bevölkerung abgedruckt, der möglicherweise zu einer entscheidenden Wende bei den Ermittlungen führen würde. Außerdem suchten heute am Nachmittag und auch am Abend seine Mitarbeiter, die von jungen Kollegen aus der Polizeischule in Enkenbach unterstützt werden sollten, direkt vor Ort im PRE-Park nach Zeugen, die vielleicht vor einer Woche im Umfeld des FIT.net -Gebäudes eine interessante Beobachtung gemacht hatten. Und dann wartete natürlich auch noch auf ihn zu Hause in seinem Fernsehgerät die
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