Goldschatz
weitreichendere Beweggründe.«
Fiona blickte aus dem Fenster und versuchte abzuschätzen, wie schnell sie fuhren. Mindestens sechzig. Wenn sie bei dieser Geschwindigkeit aus einem Wagen sprang, würde sie sich jeden Knochen im Leib brechen.
Seufzend griff sie nach der großen silbernen Thermoskanne zu ihren Füßen. Sie schenkte sich ein und trank den Becher in wenigen Zügen leer. Was soll’s?, sagte sie sich und legte die Hand auf den Türgriff. Wenn die Polizei genauso dumm und borniert war wie dieser Mann, war das ihre letzte Nacht in Freiheit.
Aber schon spürte sie Ace’ schwere Hand auf ihrem Unterarm. »Mach keine Dummheiten«, sagte er.
»Noch größere Dummheiten als die, die ich bereits gemacht habe, meinst du? Schlimmer als in den vergangenen zwei Tagen? Schlimmer als ...« Sie brach ab und legte sich die Hand auf die Stirn. Sie war immer noch so müde, dass ihr die Augen zufielen. Ihr war richtig schwindlig vor Erschöpfung. »Ich, ah ...«, begann sie, vergaß dann aber, was sie hatte sagen wollen. Sie lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen.
Minuten später nahm sie vage ein grell blinkendes, pinkfarbenes Motelschild wahr und merkte, wie der Wagen hielt. Als Ace ausstieg, ging ihr für einen Moment der Gedanke durch den Kopf, dass sie versuchen sollte zu fliehen. Aber ihr Körper war wie gelähmt und so blieb sie reglos sitzen, ganz schlapp vor Müdigkeit.
Nach einer Weile spürte sie wie in einem Traum, dass starke Arme sie aus dem Wagen hoben, durch eine Tür trugen und auf ein Bett legten - ein richtiges Bett, das nicht auf den Wellen schlingerte. Während sie dalag und immer tiefer in einen Zustand versank, der mehr einem Koma als einem gewöhnlichen Schlaf glich, nahm sie am Rande wahr, dass jemand im Zimmer herumstolperte. Betrunken, dachte sie, lächelte dann und überließ sich dankbar dem Schlaf. Sie registrierte nicht mehr, wie die Matratze nachgab, als ein schwerer Körper sich zwischen ihr und der Tür auf das Bett fallen ließ.
Fiona wurde von fürchterlichen Kopfschmerzen geweckt. Es waren hohle, benebelnde Kopfschmerzen, die von zu wenig fester Nahrung, zu wenig Schlaf und zu viel Alkohol herrührten. Jeder Muskel in ihrem Körper schmerzte, als sie die Beine über die Bettkante schwang und sich aufsetzte. Im ersten Moment wusste sie nicht, wo sie war. Sie hatte das vage Gefühl, dass etwas nicht stimmte, wusste aber nicht mehr, was. Sicher hatte es mit Kimberly zu tun; sie sollte also besser in die Firma fahren, um sich des Problems anzunehmen.
Als sie ein Geräusch hinter sich hörte, drehte sie sich um. Neben ihr im Bett lag ein Mann, der tief und fest schlief. Was macht denn Jeremy hier?, fragte sie sich verwundert. Aber dann drehte der Mann sich um und sie sah sein Gesicht. Jeremy hatte noch nie so dickes Haar gehabt! Und auch nicht so volle Lippen, keine so kräftige raubvogelartige Nase ...
»Du großer Gott!«, rief Fiona aus, als die Erinnerung schlagartig zurückkehrte, mit der Wucht einer Tsunami-Welle, die sich an der Küste bricht.
In der nächsten Sekunde hatte sie sich ihren Rucksack von dem klapprigen Stuhl geschnappt, der vor einem Möbel stand, das wohl ein Schreibtisch sein sollte, und war an der Tür. Aber gleich darauf legte sich eine größere, dunklere Hand über die ihre.
»Ich denke, du solltest lieber hier bleiben«, sagte Ace und rieb sich mit der freien Hand das Gesicht. »Und bitte nicht schlagen oder treten, ja? Ich bin heute Morgen nicht in Stimmung für eine deiner Attacken.«
»Ich ...«, wollte sie aufbegehren, zwang sich aber dann zur Ruhe. »Du bist nicht mein Gefängniswärter und hast kein Recht, mich hier festzuhalten.«
Ace schien sie gar nicht zu hören. Gähnend trat er von der Tür zurück, allerdings nicht so weit, dass Fiona an ihm vorbeigekonnt hätte. »Glaubst du, das Lokal drüben liefert auf Wunsch ins Haus?«
»Woher soll ich das wissen? Ich wurde betäubt und gegen meinen Willen hierher gebracht, erinnerst du dich? Was meinst du, was in diesem Staat auf Kidnapping steht?«
»Du wurdest weder betäubt noch gegen deinen Willen festgehalten. Du hast geschlafen«, erwiderte er völlig emotionslos. Fiona begann sich zu fragen, ob dieser Mensch überhaupt dazu in der Lage war, andere Emotionen als Wut zu zeigen. »Willst du zuerst ins Bad oder soll ich?«
Fiona warf einen abschätzigen Blick auf die billige hölzerne Badezimmertür.
Ace gähnte erneut. »Keine Angst. Es hat kein Fenster. Ich habe um ein Bad ohne
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