Goldschatz
»Verwandte? Dazu wären hunderte von Verwandten nötig und die müssten überall in den Staaten leben. Und überhaupt, wer soll die vielen Puppen bezahlen?«
»Verwandte«, sagte Ace wieder, nahm dann ihre Hand und zog sie in Richtung Wagen.
Und »Verwandte« war das einzige Wort, das sie aus ihm herausbekommen konnte, bis sie auf der Rückfahrt nach Blue Orchid waren. »Es war ein Regenpfeifer«, sagte er.
»Was?«
»Der Vogel, den du gesehen hast.«
»Ach? Mir war gar nicht bewusst, dass ich einen deiner langweiligen alten Vögel angesehen habe.« Als sie sah, dass ein hintergründiges Lächeln auf seinem Gesicht lag, gab sie ihm einen Klaps auf den nackten Arm.
»Au!«, rief er in gespieltem Schmerz und rieb sich den Arm. »Du bist wirklich eine schrecklich gewalttätige Frau. Ich wette, Jeremy hat am ganzen Körper blaue Flecken.«
Das war ein ernüchternder Gedanke und Fiona wurde bewusst, dass sie seit Tagen nicht mehr an Jeremy gedacht hatte. Stattdessen war der Mann an ihrer Seite zu ihrem Lebensinhalt geworden. Auch wenn vieles an ihm rätselhaft geblieben war, wusste sie in gewisser Weise mehr über Ace Montgomery, als sie je über Jeremy gewusst hatte. Obgleich sie und Jeremy hunderte Male miteinander geschlafen hatten, hatte sie doch nie mit ihm gelebt. Sie wusste besser darüber Bescheid, was Ace gerne aß, was er gerne anzog und was er worüber dachte, als sie je über Jeremy gewusst hatte.
»Ich denke, ich rufe ihn an, wenn wir zurück sind«, murmelte sie.
»Sobald wir die Karte haben«, meinte Ace eilig. »Dann hast du ihm etwas zu erzählen.«
»Gute Idee«, stimmte sie viel zu hastig zu. »Wenn wir die Karte haben.«
»Drei?«, sagte Ace in den Hörer. »Du raffinierter kleiner Teufel. Wo hast du bloß das Geschäftemachen gelernt?«
Er legte eine Hand auf die Sprechmuschel und sagte zu Fiona: »Sie verlangt jede Puppe, jedes Kleid, jeden Schuh, Hut und was immer sonst noch im ersten Jahr herauskommt, und zwar in dreifacher Ausführung. Außerdem hat sie eine ganze Liste von Freundinnen, die die allererste Puppe haben möchten.«
»Du handelst mit etwas, das wir nicht haben und vermutlich nie haben werden«, entgegnete Fiona nervös. »Und was hast du bloß für eine Familie, in der Neunjährige schon Verträge aushandeln können?«
»Mmmm«, sagte Ace nur dazu, ehe er das Telefonat weiterführte. »Woher weiß ich, dass du die Ware liefern kannst? Ich habe hier ein Fax und bisher ist nichts angekommen.« Er hörte einen Moment zu.
»Na ja, gut. Vielleicht können wir uns weiter unterhalten, nachdem ich einige Karten gesehen habe ... Mmmmm... Auf keinen Fall. Das macht Miss Burkenhalter. Nur sie allein, verstanden? Und jetzt setz dich hin und kaufe! Ich erwarte innerhalb der nächsten Stunde die ersten Faxe.«
Fiona saß neben ihm auf dem Sofa und machte große Augen. Sie konnte nicht fassen, dass er so zu einem Kind sprach. Als er aufgelegt hatte, fragte sie: »Was wollte sie denn?«
»Sie wollte in den Vorstand der neuen Puppenfirma. Sie möchte bei der Planung der neuen Puppe mitreden. Gibt es etwas zu essen?«
»Komm, ich mache dir ein Sandwich.« Drüben in der Küche setzte Ace sich an den Tresen, während Fiona Brot, Senf, Roastbeef, Tomaten und Salat aus dem Kühlschrank nahm. »Wie kannst du eine Puppe verschenken, die es nicht gibt und vermutlich nie geben wird?«, fragte sie. »Auch wenn wir es schaffen, aus dieser Patsche herauszukommen, woher sollten wir das Geld für ein solches Projekt nehmen?«
»Wir müssten uns etwas ausdenken«, entgegnete Ace und blickte über die Granitplatte hinweg auf das Sandwich, das sie gerade zubereitete. »Und Mayo, wenn es dir nichts ausmacht, und ...«
Er verstummte, als der zweite Telefonapparat, der auf der Küchenarbeitsplatte stand, läutete. Sie tauschten einen furchtsamen Blick. Nur Ace’ Vetter Michael Taggert hatte die Nummer und sie hatten erst vor wenigen Minuten mit ihm gesprochen.
Ace nahm ab und schwieg eine Weile. »Ja, ja, sie ist hier«, sagte er schließlich brummig.
Verwirrt nahm Fiona den Hörer entgegen.
»Fiona, Schatz«, sagte Jeremy und es überraschte sie, wie fremd ihr seine Stimme vorkam. Hatte er sie immer »Schatz« genannt?
»Ja«, antwortete sie, von Schuldgefühlen geplagt. Das letzte Mal, als sie ihn gesehen hatte, hatte er sie vor laufender Kamera angefleht, sich zu stellen.
»Wie geht es dir, Schatz?«
»Gut«, entgegnete sie und schluckte. »Und dir ... Schatz?«
Ace saß auf seinem
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