Goldstück: Roman (German Edition)
mich.
»Verstehe.« Mehr sagt Roger nicht. Einen Moment lang guckt er mich wortlos an, dann dreht er sich einfach wieder zurück zu seinem Schreibtisch und vertieft sich erneut in die Buchhaltung.
Ein paar Minuten lang bin ich komplett ratlos und weiß nicht, wie ich mich jetzt verhalten soll. Der kann mich doch nicht einfach ignorieren?! Aber offenbar kann er das. Ich räuspere mich, aber auch darauf bekomme ich keine Reaktion. Soll ich etwa aufstehen und ihn an den Haaren ziehen? Das wäre wohl keine so gute Idee.
»Äh«, setze ich schließlich an.
Roger unterbricht mich sofort. »Ich denk drüber nach, Maike.«
»Oh, okay«, bringe ich raus, einigermaßen erleichtert, dass er mein Anliegen zumindest nicht gleich als vollkommen absurd abgetan hat.
Als ich um kurz nach zehn Kikis und meine Wohnung in der Lutterothstraße erreiche, sehe ich, dass im Büro meiner Cousine noch Licht brennt. Deshalb gehe ich nicht wie sonst durch den normalen Hauseingang an der Seite hinein, sondern klingele direkt vorn am Ladengeschäft. Kiki hatte mir ja heute früh auf dem Zettel geschrieben, dass ich noch bei ihr vorbeischauen solle, weil sie eine Überraschung für mich habe. Durch die linke große Milchglasscheibe sehe ich Kiki an ihrem Schreibtisch sitzen, sie steht auf und kommt nach vorn zur Tür.
»Hallo, Goldstück«, begrüßt sie mich grinsend, sichtlich erleichtert darüber, dass ich offenbar nicht mehr sauer auf sie bin.
»Perfektes Timing«, sagt sie, während ich ihr in das Allerheiligste, ihren Coaching-Raum, folge. »Mein letzter Klient ist vor fünf Minuten gegangen, jetzt habe ich alle Zeit der Welt für dich.« Sie bedeutet mir, mich auf den großen bequemen Ledersessel zu setzen, und nimmt selbst auf dem gleichen Modell gegenüber von mir Platz. »Möchtest du eine Tasse Tee?«, fragt sie und zeigt auf die Kanne und die Becher, die vor uns auf einem kleinen Couchtisch stehen.
»Nö«, erwidere ich, »ich will die Überraschung, von der du mir geschrieben hast.«
Kiki grinst. »So kenne ich meine Cousine! Kaum ist von einer Überraschung die Rede, wird sie neugierig.«
»Lenk nicht ab«, gehe ich auf ihre Neckerei gar nicht ein. »Also, was für eine Überraschung hast du denn jetzt für mich?« Kiki lehnt sich in ihrem Sessel zurück und setzt ein geheimnisvolles Lächeln auf. »Nun sag schon«, quengele ich.
»Ich habe gestern Abend und heute Nacht noch lange nachgedacht«, erklärt sie dann. »Darüber, wie ich dir am besten helfen kann. Und da habe ich mir überlegt«, sie macht eine kleine Kunstpause, »dass ich dir ein kostenloses Coaching gebe.«
»Ein kostenloses Coaching?« Ich kann die Enttäuschung in meiner Stimme nicht verbergen.
»Ein bisschen mehr Begeisterung könntest du schon an den Tag legen«, kommt es prompt ein wenig beleidigt zurück, »ist nicht so, als würde mich da sonst keiner für bezahlen.«
»So habe ich das auch gar nicht gemeint«, versichere ich ihr, weil ich merke, dass ich Kiki gekränkt habe. »Aber du hast doch schon Coachings mit mir gemacht, zum Beispiel, als es darum ging, wie ich mir beim Lernen am besten die Zeit einteilen kann. Na ja, was dabei herausgekommen ist, wissen wir beide.«
»Ach so«, meint Kiki und klingt dabei ziemlich eingeschnappt, »jetzt bin also ICH daran schuld, oder wie?«
»Nein, Quatsch, natürlich nicht!«, versichere ich ihr eilig.
Bloß nicht gleich wieder streiten, der Zoff von gestern Abend hat mir völlig gereicht. »Ich will damit nur sagen, dass ich mich wohl nicht für so etwas wie ein Coaching eigne.« Ich seufze. »Bin da wohl eher ein hoffnungsloser Fall. Das hat natürlich nichts mit dir und deinen Qualitäten zu tun.«
Nun wirkt Kiki wieder etwas entspannter.
»Das trifft vielleicht auf die gängigen Methoden zu«, gibt sie sich erneut etwas rätselhaft. »Aber ich habe mir für dich etwas ganz Besonderes ausgedacht.«
»Da bin ich mal gespannt.« Das bin ich tatsächlich, denn wenn Kiki sich etwas Besonderes ausdenkt, wird es meistens spannend.
»Also«, fängt meine Cousine an und schlägt lächelnd die Beine übereinander, »was sagt dir der Begriff ›Gesetz der Anziehung‹?«
»Gesetz der Anziehung?«
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4. Kapitel
G esetz der Anziehung«, wiederholt Kiki und wirft mir dabei einen Blick zu, als müsste ich sofort verstehen, was sie meint.
»Sorry«, teile ich meiner Cousine mit, »aber damit kann ich gerade rein gar nichts anfangen.
»Hast du schon mal was von Bärbel Mohr
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