Goldstück: Roman (German Edition)
noch meine Jacke ausgezogen habe.
»Maike, ich habe über unser gestriges Gespräch nachgedacht«, eröffnet er mir und klingt dabei nahezu theatralisch, »und ich werde dir ein Angebot machen, das du nicht ablehnen kannst.«
»Da bin ich ja mal gespannt«, erwidere ich und setze mich auf meinen Stuhl. Gleichzeitig spüre ich, wie mein Herz anfängt, ziemlich schnell zu wummern. Ist es wirklich möglich, dass mein Wunsch von gestern Abend schon sofort Wirkung zeigt? Das wäre ja nahezu unglaublich! Sollte das der Fall sein, werde ich nach der Arbeit die ganze Nacht durchschreiben – denn ich habe noch viele, viele Wünsche, die dringend zu Papier gebracht werden müssen! Aber zuerst einmal geht es um meine Position im Studio, also konzentriere ich mich darauf, was Roger mir mitzuteilen hat.
»Du bist hier schon ziemlich lange eine sehr geschätzte Mitarbeiterin«, fährt mein Boss fort. »Du trägst Verantwortung, unterstützt die Ziele des Unternehmens.« Roger hebt die Stimme bedeutungsschwanger, und ich muss mir schwer das Lachen verkneifen. Ist ja wirklich nett, was er mir da gerade sagt – aber unterm Strich sollte er dann doch die Kirche im Dorf lassen, schließlich ist das hier nur ein ganz normales Sonnenstudio, in dem ich als Aushilfe arbeite, und nicht die Vorstandsetage eines DAX-Konzerns. Aber gut, natürlich halte ich die Klappe, soll Roger ruhig so tun, als wäre er Besitzer eines millionenschweren Imperiums. »Deswegen habe ich etwas beschlossen.«
»Nämlich?« Er macht’s ja wirklich spannend. Hoffentlich hat er nicht beschlossen, mich von sieben Euro fünfzig auf acht Euro hochzustufen, so etwas würde ich ihm glatt zutrauen.
»Maike, um dir zu zeigen, wie sehr ich deine Arbeit hier schätze, möchte ich dich ab sofort am Umsatz beteiligen.«
»Was?« Mit so einem Vorschlag hätte ich nun wirklich nicht gerechnet. »Und wie soll das aussehen?«, frage ich misstrauisch nach. Bei Roger muss man schließlich immer auf der Hut sein, das habe ich im Lauf der Jahre gelernt.
»Genau. Ich habe eine neue Gehaltsstruktur für dich entwickelt: Ich biete dir fünf Prozent des Umsatzes von allen Tagen, an denen du voll arbeitest. An den Tagen mit einer Vier-Stunden-Schicht die Hälfte.«
»Zusätzlich zum Gehalt?«, will ich wissen.
»Gewissermaßen schon.«
»Was meinst du denn mit gewissermaßen?«
»Ich würde bei unserem neuen Modell dein Fixum mit der Einlage verrechnen, die du jetzt eigentlich leisten müsstest.«
»Welche Einlage?«
»Klar, normalerweise müsstest du als neue Partnerin einen Teil meiner Investitionskosten übernehmen. Ich meine, in diesem Studio habe ich richtig Kohle angelegt. Die gute Lage, die neuen Bänke, alles tipptopp renoviert … also, alles in allem müsstest du mir bestimmt zehn- bis zwanzigtausend Euro zahlen.«
Bitte? Zehn- bis zwanzigtausend Euro? Ich? Zahlen? Irgendwie geht das Gespräch in die falsche Richtung. Ich wollte doch mehr Geld, nicht mehr Schulden.
»Also, Roger, ich weiß nicht, vielleicht vergessen wir das einfach mit der neuen Gehaltsstruktur. Wenn ich hier noch Geld mitbringen muss, ist es bei meiner finanziellen Situation mit Sicherheit nicht das Richtige.«
Roger schüttelt den Kopf. »Du hörst mir nicht richtig zu,
Maike. Du musst ja gerade nicht investieren. Wir verrechnen es mit deinem normalen Gehalt. Das ist für dich ein gutes Geschäft.«
»Hm«. In meinem Kopf arbeiten die kleinen Hirnrädchen auf Hochtouren. Ist das nun wirklich ein gutes Angebot oder nicht? Ich habe keine Ahnung, aber mein Bauch funkt mir, dass dieser Vorschlag ein gewisses Risiko birgt. Vielleicht aber auch eine Chance. »Ich weiß nicht«, erkläre ich etwas zögernd.
»Ich dachte, du wolltest mehr Verantwortung übernehmen. Es liegt doch auch an dir, wie der Laden hier läuft. Momentan machen wir regelmäßig über zweitausend Euro brutto am Tag.«
»Zweitausend Euro?«, rufe ich überrascht aus. »So viel verdienst du jeden Tag mit dem Laden? Dann bist du ja reich!«
»Na ja«, beschwichtigt Roger mich, »du darfst die hohen Fixkosten wie Ladenmiete, Personal, Strom, Wartung und Neuanschaffung der Geräte nicht vergessen.«
»Ach so«, sage ich und komme mir auf einmal sehr dumm vor. Kosten, klar, natürlich. Was habe ich eigentlich in all den Jahren gemacht, die ich zur Schule gegangen bin und studiert habe? Gepennt?
»Trotzdem«, fährt Roger fort, »ist es für dich ein gutes Angebot, denn ich würde dich unabhängig von den Kosten am Umsatz
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