Goldstück: Roman (German Edition)
Mit einem Schlag komme ich mir mal wieder unglaublich dumm vor.
»Im Gefühl?« Kiki unterdrückt ein hysterisches Kichern. »Du kannst doch ein Gefühl nicht als Grundlage für eine geschäftliche Vereinbarung nehmen!«
»Du hast selbst gesagt, dass ich auf meine Intuition hören soll!«, gebe ich maulig zurück. Jawohl, das hat meine liebe Cousine schließlich behauptet, ich habe nur ihre Anweisungen befolgt!
»Ja, sicher, das habe ich«, gibt Kiki zu. »Aber damit habe ich doch nicht gemeint, dass du deinen Verstand komplett ausschalten sollst!«
»Als Roger es mir erklärt hat, klang es alles so logisch und einfach«, verteidige ich mich.
»Dann kann ich mir denken«, stellt Kiki grummelnd fest, »dass dein lieber Boss dir alles in den schillerndsten Farben ausgemalt hat, dieser Verbrecher!« Sie beugt sich zur Küchenzeile, zieht eine Schublade auf, holt Block und Stift heraus und wirft mir einen auffordernden Blick zu. »Dann lass uns mal schnell nachrechnen. Was für einen Tagesumsatz macht ihr denn so?«
»Genau weiß ich das nicht«, sage ich. »Roger macht die Kasse. Aber er hat gesagt, es sind immer mehr als zweitausend Euro. Und das kam mir auch ganz realistisch vor. Der Laden läuft ja gut.«
Kiki schüttelt den Kopf. »Also: Was kosten eure Bänke?«
»Bis zwanzig Minuten fünf neunundneunzig. Ist ein super Angebot.«
»Okay. Also macht eine Bank bei durchgehender Auslastung circa achtzehn Euro pro Stunde.« Sie kritzelt die Zahl auf den Block. Ich hasse Kiki, wenn sie so doziert, da komme ich mir jedes Mal vor wie eine Grundschülerin.
»Viele Kunden wollen aber auch nur zehn oder fünfzehn Minuten«, wende ich ein, um nicht komplett dusselig dazustehen. »Dann sind’s doch mehr als achtzehn Euro.«
»Gut«, meint Kiki, »dann rechnen wir eben mit zwanzig Euro pro Stunde, wobei das schon mehr als optimistisch ist. Und wie viele Bänke habt ihr insgesamt?«
»Zwölf.«
»Okay, das macht zweihundertvierzig Euro maximal, das Ganze auf zwölf Stunden sind also gute zweitausendachthundert Euro. Bei voller Auslastung, wohlgemerkt.« Sie mustert mich streng. »Und – habt ihr immer volle Auslastung?« Ich schweige betreten. »Habt ihr also nicht«, stellt Kiki fest.
»Nein«, mittlerweile ist meine Stimme fast nur noch ein Flüstern. »Meistens nicht.«
»Wie viele Bänke sind denn so im Schnitt leer?«
»Kannst du vielleicht mal mit dieser inquisitorischen Befragung aufhören?«, blaffe ich meine Cousine an. »Ich fühle mich sowieso schon schlecht.«
»Tut mir leid«, sie legt eine Hand auf meine, »ich will dich wirklich nicht ärgern, sondern dir nur helfen, den schlimmsten Schlamassel vielleicht noch zu verhindern. Aber dafür müssen wir uns nun mal die Fakten ansehen.«
»Okay«, seufze ich ergeben.
»Also, wie viele der Bänke bleiben im Schnitt leer?«
Ich zucke mit den Schultern. »Vielleicht ein Drittel?«, schätze ich. »An warmen Tagen ist es auch mal die Hälfte oder noch mehr.« Kiki kritzelt wieder auf dem Block herum, rechnet hin und her und notiert immer neue Zahlen.
»Also«, erläutert sie dann, »wenn dieser Jahrhundertsommer tatsächlich kommt und nur noch jede dritte Bank besetzt ist, geht der Durchschnittsumsatz wahrscheinlich auf höchstens tausend Euro runter. Richtig?«
»Das könnte sein.« Unruhig rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her, weil ich ahne, was jetzt kommt.«
»Dann verdienst du mit einer Acht-Stunden-Schicht genau fünfzig Euro. Anders gesagt«, sie umkringelt eine Zahl, die sie notiert hat, »sechs Euro fünfundzwanzig pro Stunde.«
Entsetzt starre ich auf meinen neu errechneten Stundenlohn. Scheiße. Roger hat mich reingelegt. Ohne weiter auf Kiki zu achten, springe ich auf und renne zum Telefon. Wenn der
denkt, er kann mich so leicht über den Tisch ziehen, hat er sich getäuscht! Hektisch wähle ich Rogers Handynummer, erreiche aber nur die Mobilbox. »Hier ist Maike!«, belle ich in den Hörer, »ruf mich sofort zurück!« Wütend knalle ich das Telefon zurück auf die Station. Dann reiße ich es wieder hoch und tippe Nadines Nummer ein. Ich muss ihr sofort erzählen, was dieser Verbrecher mit mir gemacht hat.
»Spalding?«, meldet sie sich nach dem dritten Klingeln und klingt etwas verschlafen.
»Hi, Nadine!«, sage ich und gebe mir Mühe, nicht allzu laut ins Telefon zu brüllen. »Sorry, dass ich so spät noch anrufe, aber ich muss dir dringend was erzählen.«
»Was ist los?« Mit einem Mal klingt sie hellwach. »Ist das
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