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Goldstück: Roman (German Edition)

Goldstück: Roman (German Edition)

Titel: Goldstück: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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einem Buch. Mit einem lauten »Tataaa!« scheuche ich sie hoch.
    »He, da kriege ich ja einen Herzinfarkt!«, ruft Kiki erschrocken aus.
    »Keine Sorge. Den bekommt jemand, der so kerngesund ist wie du, nicht so leicht.«
    »Wo warst du denn so lange? Habe mich schon gewundert, wo du steckst!«
    Grinsend lasse ich mich auf einem der Küchenstühle nieder. »Ich habe sensationelle Neuigkeiten.«
    »Ach ja?«
    »Ja.« Ich nicke begeistert. »Du wirst ziemlich stolz auf mich sein. Ich habe mit Roger ein neues Gehaltsmodell ausgehandelt. Die Zeiten von Maike ›Pleite‹ Schäfer sind vorbei.«
    »Da bin ich wirklich gespannt. Lass hören!«
    Ich hole tief Luft, um die Spannung ein wenig zu steigern, dann stelle ich mit wichtiger Miene fest: »Ab sofort bin ich meiner großen Verantwortung entsprechend am Umsatz beteiligt.«
    »Aha.« Noch guckt Kiki relativ unbeeindruckt, was mir einen kleinen Stich versetzt. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass sie vor Begeisterung sofort Luftsprünge macht. Stattdessen fragt sie nur: »Wie will er dich denn am Umsatz beteiligen?«
    »Mit fünf Prozent.«
    »Wow.« Endlich scheint Kiki auch zu begreifen, wie sensationell meine Neuigkeit ist. »Das ist viel«, gibt sie zu. »Und wie hoch ist dein Fixum?«
    »Das weiß ich gar nicht so genau, das wird jetzt irgendwie verrechnet.«
    »Verrechnet? Womit denn?«
    »Na, mit meiner Einlage. Die ich aber Gott sei Dank nicht leisten muss.«
    »Aha. Mit der Einlage. Wie hoch ist die denn?«
    »So zwischen zehn- und zwanzigtausend Euro. Müsste genauer im Vertrag stehen.«
    Einen Moment lang sagt Kiki gar nichts mehr. Dann tritt ein Ausdruck puren Entsetzens auf ihr Gesicht. »Bist du verrückt geworden?«, fährt sie mich regelrecht an. »Er hat dir das Festgehalt gestrichen?«
    »Wieso?« Ich begreife nicht, warum Kiki gerade so ausflippt. »Du hast doch selbst gesagt, ich müsste endlich mal mehr Verantwortung übernehmen. Das habe ich jetzt getan. Und das Festgehalt ist ja gar nicht gestrichen, es wird nur verrechnet. Das ist doch für mich viel besser, so muss ich wenigstens nicht investieren.«
    »Natürlich investierst du, du dummes Huhn! Nämlich deine Arbeitskraft! In den Saftladen von Roger. Verrechnet mit zehntausend Euro – das ist doch Quatsch. Sieh es ein: Er hat dir das Festgehalt gestrichen!«
    Langsam geht mir Kikis Rechthaberei auf den Keks. Die tut ja geradezu so, als wäre ich ein dummes Schulmädchen. »He, jetzt reg dich doch nicht so auf«, sage ich deshalb genervt. »Roger hat mir das alles ganz genau erklärt, die Sache ist ohne jedes Risiko, und ich fahre mit dieser Umsatzbeteiligung wesentlich besser als bisher.«
    »Maike.« Kiki seufzt und schlägt beide Hände vors Gesicht. »Du hast heute noch keine Zeitung gelesen, oder?«, nuschelt sie unter ihren Händen hervor.
    Verständnislos schüttle ich den Kopf. »Nee«, erkläre ich, »ich war mal wieder ein bisschen spät dran. Aber was hat das damit zu tun?«
    Kiki steht auf und geht zum Fensterbrett. Dort liegt, sorgsam zusammengefaltet, das Hamburger Abendblatt . »Hier«, sagt sie
    und faltet es auf, »man konnte es eigentlich nicht übersehen. Es ist die Titelschlagzeile.« Sie hält mir die Zeitung direkt unter die Nase, laut lese ich vor:

    Hamburg vor Jahrhundertsommer
    Jahrhundertsommer? Das klingt nicht gut. Ich lese weiter.
    Die Meteorologen sind sich einig: Schon übermorgen beginnt in Hamburg ein wahrer Jahrhundertsommer. Temperaturen bis dreißig Grad, und das schon im März – sind das die Vorboten des Klimawandels?

    Fassungslos starre ich auf die Buchstaben, die vor meinen Augen verschwimmen. Mein Gehirn weigert sich zu begreifen, was da steht. Nur mein Magen scheint sofort zu verstehen, denn mit einem Schlag wird mir richtig übel.
    »Ich würde denken«, sagt Kiki, »zumindest dein Chef hat heute Zeitung gelesen. Was meinst du?«
    Ich nehme ihr das Abendblatt aus der Hand und überfliege den Artikel einige Male, ehe ich meine Sprache wiederfinde. »Aber fünf Prozent«, krächze ich schließlich, »sind doch trotzdem viel. Selbst wenn es mal nicht so gut läuft.«
    Kiki setzt sich wieder neben mich. »Das kann ich nicht beurteilen. Hast du dir das denn mal alles ganz genau durchgerechnet, bevor du zugesagt hast? Und zwar sowohl im besten als auch im schlechtesten Fall?«
    »Nicht so richtig«, gebe ich zu.
    »Was heißt denn nicht so richtig ?«
    »Na ja, eigentlich gar nicht. Ich hatte es eher so im Gefühl, dass es ein gutes Angebot ist.«

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