Goldstück: Roman (German Edition)
meiner eigenen Party. Von allen Seiten plätschert angeregtes Plaudern in meine Ohren, jeder hier hat irgendetwas Tolles zu erzählen. Nur ich nicht. Das Einzige, was ich derzeit aus meinem Leben berichten könnte, würde selbst den hartgesottensten Optimisten auf Anhieb in eine düstere Depression stürzen. Jedenfalls fühlt es sich gerade so an.
Ich beschließe, auf unserer Terrasse eine zu rauchen. Vielleicht hebt ein kleiner Nikotinflash meine Stimmung. Eigentlich bin ich schon seit Jahren Nichtraucherin, aber nach der oberpeinlichen Nummer mit meinem Vater muss ich mal eine Ausnahme machen. Ich steuere auf Kikis Zimmer zu, um mir aus ihrem breitangelegten Reservoir von West Silver eine zu schnorren.
Die Zimmertür ist nur angelehnt, und ich halte schon die Klinke in der Hand, als ich abrupt stehenbleibe. Ich höre Stimmen. Offenbar sind Kiki und Stefan im Zimmer, und dem Ton ihrer Unterhaltung nach zu urteilen wollen sie nicht gestört werden. Es klingt irgendwie … angespannt, die beiden haben doch wohl keinen Streit miteinander? Gerade will ich leise den Rückzug antreten, da fällt klar und deutlich mein Name. Ich mache wieder einen Schritt Richtung Tür. Gut, Lauschen ist nicht die feine Art, aber wenn über mich gesprochen wird, bin ich einfach zu neugierig. Ich stelle mich direkt an den Türspalt.
»Wieso hast du es ihr denn immer noch nicht gesagt? Du wolltest doch noch diese Woche mit ihr reden«, vernehme ich Stefans aufgebrachte Stimme.
»Ihr Geburtstag ist nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt dafür!«
»Das wahrscheinlich nicht«, erwidert Stefan. »Aber was ist mit den letzten Tagen, du hattest es mir doch fest versprochen!«
»Ja, ich weiß. Aber momentan tut sie mir echt leid«, kommt es von Kiki zurück. »Ich meine, Gunnar weg, Studium den Bach runter und jetzt auch noch die Pleite in ihrem Job – Maike hat gerade eine sehr schlechte Phase.«
»Kiki«, Stefan seufzt. »Maike hat immer eine schlechte Phase. Solange ich sie kenne, und das sind jetzt immerhin auch schon ein paar Jahre. Wenn du darauf wartest, dass es ihr mal bessergeht, kann das noch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag dauern.«
»Das ist nicht besonders nett von dir.«
»Aber es ist wahr. Maike kriegt nichts auf die Reihe, und Schuld haben immer die anderen.«
Ich merke, wie mir auf einmal ganz heiß wird, so sehr treffen mich Stefans Worte. Denkt er das wirklich über mich?
»Das stimmt doch so gar nicht«, widerspricht Kiki.
»Ach?«, hält er dagegen. »Jetzt stimmt das auf einmal nicht mehr? Dabei bist du doch immer diejenige, die sich darüber beschwert, dass sie nicht mehr weiß, was sie mit Maike machen soll. Dass sie dir sämtliche Energie raubt, aber auf der anderen Seite nie auf das hört, was du ihr sagst, und dass du es satthast, dich ständig mit ihren Problemen zu beschäftigen, wenn am Ende dann doch nichts dabei herumkommt!«
»Sicher habe ich auch mal über meine Cousine geschimpft, in letzter Zeit wahrscheinlich sogar häufiger. Aber du weißt genau, wie es ist. Wenn man genervt ist, sagt man manchmal auch Dinge, die man nicht so meint.«
»Das stimmt«, gibt Stefan ihr recht. »Nur dass ich der Leidtragende deiner Genervtheit bin und mir das immer anhören darf. Ständig muss ich hinter deiner Cousine zurückstecken, so wie es aussieht, auch jetzt mal wieder.«
»Schatz«, ich höre ein Gurren in Kikis Stimme, »du weißt, dass das nicht wahr ist. Ich liebe dich mehr als jeden anderen Menschen auf der Welt. Und ich werde es Maike sagen, sobald es ihr etwas bessergeht.« Ich höre, wie sie ihm ein Küsschen gibt. »Versprochen.«
Versprochen? Wovon reden die bloß? Was will mir Kiki sagen? Ich kämpfe gegen den Impuls an, durch die Tür zu stürmen und beide zur Rede zu stellen. Gleichzeitig fühle ich mich wie erstarrt und kann kaum glauben, was ich da gerade gehört habe.
»Aber warte nicht zu lange«, spricht Stefan jetzt weiter. »Denk dran, ich habe in meiner Wohnung drei Monate Kündigungsfrist, und Maike muss auch erst mal etwas Neues finden. Also vor Juli wird sie wahrscheinlich nicht ausziehen, selbst wenn du es ihr gleich morgen sagst.«
Mit einem Schlag ist mir nicht mehr heiß. Mir ist eiskalt, und ich habe das Gefühl, mich jeden Moment übergeben zu müssen, während das Blut in meinen Ohren zu rauschen beginnt. Was sagt er da? Ausziehen? Stefan will, dass ich aus Kikis und meiner Wohnung ausziehe? Was zum Teufel geht hier gerade vor?
»Ja, das hab ich im Blick«, antwortet
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