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Goldstück: Roman (German Edition)

Goldstück: Roman (German Edition)

Titel: Goldstück: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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mich mit einem fragenden Blick. »Davon hast du ja gar nichts erzählt, Maike.«
    »Anna war schneller als ich«, schwindele ich und werfe ihr einen Blick der Marke »Bitte, sag jetzt nichts!« zu. »Bei mir stehen sie erst im nächsten Semester an.« Sofort verfinstert sich die Miene meines Alten Herrn.
    Annas Blick wandert irritiert zwischen mir und Papa hin und her – aber offenbar hat sie mich verstanden, denn sie sagt eilig: »Ja, ich hatte meine Scheine etwas früher zusammen.«
    »Wie alt sind Sie jetzt, Anna?«
    Scheiße, muss Papa hier mal wieder heilige Inquisition spielen?
    »Äh«, erwidert Anna etwas unsicher, »sechsundzwanzig.«
    »Sehen Sie«, stellt mein Vater fest, »das ist doch ein gutes Alter, um die Universität abzuschließen. Da ist man noch jung genug, um auf dem Arbeitsmarkt die besten Chancen zu haben und dann trotzdem nach ein paar Jahren, wenn man fest im Sattel sitzt, noch eine Familie zu gründen.« Er seufzt und legt die Stirn in Falten. »Ich verstehe wirklich nicht, warum das ausgerechnet bei Maike alles so lange dauert.«
    »Papa, bitte«, zische ich peinlich berührt. Auf dieses Thema habe ich jetzt wirklich keine Lust, erst recht nicht an meinem Geburtstag.
    »Na ja«, spricht er ungerührt weiter, »so schwierig wird Jura schon nicht sein, oder?«
    »Ich weiß nicht, Herr Schäfer«, verteidigt Anna mich, »einfach fand ich es eigentlich nicht.«
    »Ach kommen Sie, Anna. Jura, das ist doch eigentlich nur gesunder Menschenverstand.«
    »Papa!«
    »Ich sage immer«, er baut sich zu seiner vollen Größe von immerhin einem Meter fünfundachtzig auf, »entweder man hat ein gesundes Rechtsempfinden oder eben nicht. Vergleichen Sie das mal mit Medizin – da müssen Sie richtig viel lernen.«
    »Aha.« Mehr sagt Anna dazu nicht. Sie ist eben höflich.
    »Als ich seinerzeit angefangen habe zu studieren, da war der Beruf auch Berufung. Aber wenn ich mir die jungen Kollegen heute anschaue …«
    »Ich weiß nicht, ob man das so pauschal sagen kann, Papa.« Mein Alter ist einfach peinlich, da ist nichts zu machen.
    »Wieso, Maike? Du hast doch überhaupt keine Leidenschaft für dein Studium. Sonst wärst du längst fertig. Ich frage mich ernsthaft, was wir bei dir falsch gemacht haben.« Er schüttelt den Kopf, und ich merke, wie meine Halsschlagader anschwillt.
    »Ich erlebe Maike immer sehr engagiert«, versucht sich Anna an meiner Ehrenrettung.
    Mein Vater zieht nur spöttisch die Augenbrauen nach oben. »So? Na ja. Dann ist die Hoffnung ja noch nicht verloren.« Er stopft sich eine Frikadelle in den Mund, nickt uns zu, dreht sich um und geht.
    Ich merke, dass ich mit den Tränen kämpfen muss. Was soll das?
    Anna guckt fassungslos. »Ich sag’s nur ungern, Maike, aber dein Vater geht echt gar nicht«, stellt sie fest. »Eigentlich kannst du ihm gleich sagen, dass du durchgefallen bist. Das macht die Sache auch nicht schlimmer.« Ich wische mir eine Träne aus den Augenwinkeln, Anna legt einen Arm um mich. »Komm, ich hol dir noch ein Glas Sekt. Ein dreißigster Geburtstag ist eigentlich ein guter Zeitpunkt, sich endlich von den Eltern loszueisen. Vor allem, wenn sie so drauf sind wie deine.«
    Ich nicke, trotzdem ist meine Laune im Keller. »Schon gut«, meine ich, »er ist eben nicht zu ändern. Aber das mit dem Sekt lasse ich lieber, sonst bin ich nämlich gleich in der Stimmung, ihm mal coram publico die Meinung zu geigen.«
    »Wäre vielleicht nicht das Schlechteste.«
    »Lieber nicht«, wehre ich ab, »wir wollen doch nicht, dass es hier zu Ausschreitungen kommt.« Ich versuche, ein schiefes Grinsen aufzusetzen.
    »Hätte zumindest einen gewissen Unterhaltungswert«, gibt Anna zu bedenken. »Maike und ihr Vater hauen sich vor versammelter Mannschaft – wo hat man so was schon erlebt?«
    »Okay«, sage ich. »An meinem Vierzigsten mache ich das. Versprochen!«
    Anna lacht und prostet mir noch einmal aufmunternd zu. »Alles klar. Dann vergiss bloß nicht, mich einzuladen! Oder vielleicht sollte ich lieber Kiki Bescheid sagen?«
    »Nein«, beruhige ich sie, »keine Sorge. Wenn es so weit kommt, vergesse ich das bestimmt nicht.«
    Nachdem Anna sich ebenfalls einen Teller vollgeladen und
    zum Essen an den Küchentisch gesetzt hat, wandere ich ein wenig ziellos in der Wohnung herum. Alle scheinen sich bestens zu unterhalten, vermutlich würde es gar nicht weiter auffallen, wenn ich überhaupt nicht hier wäre. Ganz plötzlich fühlt es sich an, als sei ich der Fremdkörper auf

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