Golem XIV
verlängern, wenn sie in der Lage sind, sich in astronomischer Nähe der »Großen Schwarzen Löcher« anzusiedeln, die die Kerne der Galaxien bilden, und die Energie dieser »Löcher« sich nutzbar machen. Diese Tätigkeit nennt Davies »Supertechnologie« (und so – »Supertechnology« – betitelt er das gedanklich kühnste Kapitel seines Buches).
Das Bild, das der englische Wissenschaftler skizziert, ist dem Bilde erstaunlich ähnlich, das meine »Neue Kosmogonie« liefert. Ich zitiere Davies: »We are used to thinking of gravity, nuclear physics, electromagnetic fields, chemistry and so on as the dominating forces which restructure and arrange the Universe. Biology, however, also plays a part: the surface of the Earth has greatly changed as a consequence of biological activity. (…) Intelligent life and technology have brought about even more radical planetary transformations: mountains have been levelled, seas and rivers dammed or diverted, forests destroyed and deserts irrigated. There may be still higher levels of organizational activity above that of technology and based on intelligent biological organisms, which are capable of still more sophisticated and complex arrangements, but in any case it would be unwise to make assumptions about the limits of the power of supertechnologies. This raises the prospect of a Universe over which the dominant force is for the greater part of its existence, intelligent control. Intelligence as a cosmic organizational activity may eventually be regarded as natural, and as fundamental as gravity, in the later stage of cosmic evolution.«
Jedem, der die »Neue Kosmogonie« gelesen hat, mag das angeführte Zitat wie ein daraus entnommenes Fragment erscheinen. Sogar jener Typus der Steigerungen, der zunächst die biologischen Kräfte in die Aktion gegen die Natur einführt, worauf dann das Wirken der planenden Vernunft folgt, scheint wie aus meinem phantastischen Text genommen. Wie konnte es dazu kommen? Was ist eigentlich geschehen? Nichts anderes, als daß der Junge, der im Sandkasten mit seiner Schaufel spielt, einen Kameraden gefunden hat, der ebenso wie er die Weltkugel durchstoßen möchte. Und dabei ist der zweite Junge ein diplomierter Kenner der Himmelskörper.
2. Literatur als Asyl
Diese Ausführungen sollen weder mein Erstlingsrecht an der Idee eines »Kosmos als Technologie« bekräftigen, noch mit vierzehnjähriger Verzögerung eine Polemik mit Kołakowski aufnehmen. Das Bild eines der Vernunft untergebenen Kosmos ist nicht dadurch der Wahrheit ähnlicher geworden, daß dieser Gedanke zum zweiten Mal geäußert wurde. Der Gedanke könnte völlig irrig sein, selbst wenn ihn die Mehrheit der irdischen Astrophysiker akzeptierte. In der Aufgabe, die ich mir hier stelle, geht es weder um seine Richtigkeit noch um seine Autorschaft, sondern nur um die Demonstration des Schicksals einer bestimmten »radikal neuen Idee« anhand eines konkreten Beispiels.
Der erste Kritiker, der sie öffentlich bemerkte, war ein Philosoph. Er hielt sie für eine ungerechtfertigter- und irreführenderweise als reale Möglichkeit dargebotene Phantasie und rügte den Autor wegen dieser Vermischung der Kategorien, indem er ihn mit einem Kind verglich. Der Philosoph ist kein Sachverständiger in Kosmogonie. Ist also seine Einrede ein Resultat mangelnder Kompetenz? Das glaube ich nicht. Man hat schon vor längerer Zeit bemerkt, daß intelligente Laien, Dilettanten und Outsider für neue Ideen empfänglicher sind als Sachkenner; denn eine wirklich neue Idee kollidiert mit dem Korpus des festgelegten Wissens – und eine der Hauptpflichten der Sachverständigen ist der Schutz dieses Wissens. Wenn die Wissenschaft jede Konzeption, die mit ihren kanonischen Urteilen nicht übereinstimmt, eilfertig assimilierte, zerfiele sie binnen kurzem in eine Vielzahl inkohärenter Schulen. Die Wissenschaft muß bis zu einem gewissen Grade konservativ sein, sie muß revolutionären Hypothesen harten Widerstand entgegensetzen, sie muß bis zur Unentschlossenheit schwerfällig sein in deren Anerkennung; denn darin zeigt sich ihr Selbsterhaltungstrieb als Institution des Erkennens. Die Fachzeitschriften jeder Disziplin, von der Physik bis zur Anthropologie, wimmeln geradezu von neuen, dem Kanon des festgelegten Wissens nicht entsprechenden Hypothesen, und würden diese alsbald gleichberechtigt mit den geheiligten, so würde dieses Wissensgebiet bis zu seiner Basis in einen Ameisenhaufen einander
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