Golgrimms wundersame Welt (German Edition)
unbedecktes Auge funkelte. Vielleicht funkelte auch das andere, sofern er ein zweites Auge unter der Augenklappe besaß, aber wenn dem so sein sollte, konnte man das Funkeln eh nicht sehen. Wegen der Augenklappe, nicht wahr. Aber da dies sowieso kein wichtiges Detail ist, interessiert es uns jetzt auch überhaupt nicht, denn warum sollte er eine Augenklappe tragen, wenn er zwei gesunde Augen besessen hätte?
„Aber das kann nicht sein, das darf nicht sein, Chefchen wird mich vierteilen lassen und in irgendetwas Schreckliches verwandeln, ohjemineminemine!“
Hysterisch rannte der Kobold hin und her, fasste sich mit beiden Händen an den Kopf und wusste nicht, was er tun sollte.
Red Jack öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch eine weitere Störung ließ ihn erneut verstummen. Zuerst war es nur ein leises Rumpeln, doch dann verwandelte sich dieses Rumpeln in einen regelrechten Sturm, der die Wellen aufpeitschen ließ und das Schiff hin und herschaukelte wie ein ausgewachsener Orkan.
Caleb ergriff mit beiden Händen die Reling und klammerte sich daran, Cedric presste sich ganz flach auf die Planken und legte sich panisch die Vorderpfoten vor die Augen. Der Kobold verlor das Gleichgewicht, fiel mit ausgestreckten Armen und Beinen zu Boden und rutschte wie eine Flipperkugel hin und her und her und hin, hilflos den Gewalten des seltsamen Sturms ausgeliefert.
Jack hingegen behielt einen kühlen Kopf, den Himmel anbrüllend und verwünschend packte er mit kräftigen Händen das Ruder und versuchte sein Schiff irgendwie zu kontrollieren, während die Wassermassen aufpeitschten und scheinbar aus jeder Richtung auf das hölzerne Gefährt niederprasselten. Es stürzte Wasser von oben und von unten gegen sie und von links und rechts und von vorne und hinten.
Der Himmel war schwarz geworden, schwarz wie die finsterste Finsternis, die man sich vorstellen konnte. Und dieses düstere Bild wurde noch vermischt vom Ächzen des Halblings, vom Jaulen des Hundes und von den hysterischen Angstschreien des Kobolds. Nur Red Jacks Flüche und Verwünschungen und Beschimpfungen zum schwarzen Himmel hinauf waren lauter als alles andere.
Und dann war plötzlich alles wieder vorbei. Der Himmel wurde wieder strahlend blau, die Sonne stieß gelb und hell und warm hervor und es regte sich kein einziges Lüftchen mehr.
Die drei anwesenden Personen plus einen Hund auf dem Schiff blickten sich erstaunt und ungläubig um, als ein leises Brummen aus der Kajüte hinter Jack drang.
Caleb und der Pirat schwenkten erneut die Köpfe. Die Tür zur Kajüte öffnete sich und ein kleiner Teddybär kam heraus gerollt, gefolgt von einem kleinen Mädchen mit blonden Löckchen in Jeans, Pulli und rosafarbenen Turnschuhen mit silbernen Sternen darauf.
Dem Halbling und dem Piraten blieben die Münder offen vor Erstaunen und niemand bemerkte die drei Fledermäuse, welche unbemerkt und still am Hauptmast hingen, sich das Wasser aus den Flügeln wrangen und dem Treiben böse Blicke schenkten.
Als Thaddäus und Mietroll auf die Strasse vor ihrem Haus hinaus kamen, herrschte reger Betrieb auf den Strassen von Anduras. Mütter und Väter gingen mit ihren Kindern spazieren, Geschäftsleute begaben sich auf den Weg zur Arbeit oder kamen von dort und gingen weiter, um in einer Taverne erfolgsreiche Abschlüsse zu begießen. Ganze Scharen von Frauen waren allein unterwegs, um das sauer verdiente Geld ihrer Ehemänner in neue Schuhe zu investieren. Und es waren auch Scharen von Männern allein unterwegs, die das sauer verdiente Geld ihrer Ehefrauen in frisches Bier investieren wollten.
Die Sonne strahlte hell , so wie fast immer, und es herrschte eine angenehme Zimmertemperatur im Freien. A uch so wie immer.
Thaddäus besah sich den strahlenden Himmel und zog einen alten, mit unzähligen Löchern gesprenkelten schwarzen Regenschirm hervor. Neben ihm atmete Mietroll bedrückt ein und wieder aus, mehrere Koffer waren unter seine langen und breiten Arme geklemmt.
„Bereit, mein Junge?“ fragte der Chronist seinen Diener und schaute ihn mit empor gezogenen Augenbrauen an. Der Troll atmete erneut, diesmal jedoch um einiges hörbarer als zuvor, ein und wieder aus.
„Nein, Meifter. Follen wir nifft lieber die Poftkutffe nehmen? Eine ganf normale Poftkutffe?“ antwortete Mietroll verdrossen.
„Du bist ein Hasenfuss, Mietroll, ein richtiger Hasenfuss!“
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