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GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

Titel: GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Westerfeld
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ging.
    Die Barkasse kam in etwa zehn Metern Entfernung zum Halt, und die Gangway wurde auseinandergeklappt. Die Propeller schwankten ein wenig und kreisten in trägen Bahnen wie die Teller eines chinesischen Jongleurs, die sich auf Stöcken drehen.
    »Ich bin froh, wenn ich wieder festen Boden unter den Füßen habe«, sagte Miss Rogers.
    »Ich war sehr glücklich in der Luft«, erwiderte Alek, dann sah er, wie sie seine Worte auf den Block kritzelte, und beschloss, seine Zunge zu hüten.
    Die Gangway kam mit leisem Krachen an der Frachtlukenkante zum Liegen, und die Takler vertäuten sie. Dann eilte die ganze Gesellschaft ohne große Zeremonie und ohne großen Abschied hinüber zur Barkasse.
    Einen Augenblick später schaute Alek zu, wie sich die Leviathan entfernte.
    Die anderen drängten sich auf der anderen Seite der Plattform und begafften das Woolworth-Gebäude, das höchste Gebäude der Welt, und den Rest von Manhattan. Alek hingegen schaute zum Luftschiff zurück.
    »Glücklich in der Luft«, sagte Bovril.
    Alek kraulte ihm das Kinn. »Manchmal sollte man dich den verständnisvollen Loris nennen.«
    Während das Tierchen gluckste, spürte Alek, dass die Barkasse durch die ungleiche Verteilung der Fahrgäste unter seinen Füßen ein wenig sank. Die Mannschaft bat höflich darum, sich ein wenig auf der Plattform zu verteilen, und einen Moment später stand Eddie Malone neben Alek.
    »n’Abend, Majestät. Schön warm dank dieser Heißluftballons, nicht wahr?«
    Alek sah nach unten. Der Brenner des Ballons neben ihm schickte flirrende heiße Luft in den dunklen Himmel. Bovril streckte die Hände aus wie ein Soldat an einem Lagerfeuer.
    »Warm genug, Mr. Malone. Aber ›Majestät‹ ist nicht die richtige Anrede. Es heißt ›Durchlaucht‹. Und wenn Sie über mich schreiben wollen, vergessen Sie bitte nicht, dass mein Nachname nicht Ferdinand ist.«
    »Nicht?« Das Notizbuch kam zum Vorschein, und die Seiten flatterten im kalten Wind. »Wie heißen Sie denn mit Nachnamen?«
    »Adlige haben keine Nachnahmen. Stattdessen haben wir einen Titel.«
    »Na, so kann man es auch ausdrücken.« Er kritzelte einen Moment und fragte schließlich: »Vielleicht wollen Sie einen Kommentar zu Deryn Sharp abgeben?«

    »Ankunft in Manhattan.«
    Alek zögerte. Dies war seine Chance zu erklären, wer Deryn wirklich war. Er konnte Malone und der ganzen Welt von ihrer Tapferkeit und ihren Fähigkeiten erzählen, und vor allem, warum sie zu den Fliegern gegangen war. Doch dann bemerkte er, wie Volger ihn über die Plattform hinweg ansah.
    Deryns Skandal würde von Teslas Mission hier in New York ablenken. Und wenn er sich zu dem Thema äußerte, würde es nur umso größere Schlagzeilen geben.
    »Kein Kommentar«, erwiderte Alek.
    »Das erscheint mir doch sehr eigenartig, wenn man bedenkt, wie eng sie in Istanbul zusammengearbeitet haben.«
    Alek wandte sich von dem Reporter ab. Er fand es schrecklich, dass er nichts tun konnte, damit Deryns Geschichte richtig erzählt wurde, aber der Frieden war wichtiger als der Ruf einer einzelnen Person. Oder war ihm das nur eine willkommene Ausrede? Eine Möglichkeit, nicht mit dieser peinlichen Enthüllung in Verbindung gebracht zu werden? Zuerst hatte er sich so geschämt, weil er nicht gewusst hatte, wer und was sie in Wirklichkeit war. Aber es war keine Schande, der Freund von Deryn Sharp zu sein. Vielleicht sollte er Volgers Warnungen in den Wind schlagen und Malone erklären, was er eigentlich für Deryn empfand.
    Alek schluckte. Und was genau empfand er für Deryn?
    Oben am Himmel zog die Leviathan von dannen und war nur noch eine Silhouette vor dem sternenübersäten Schwarz. Wann würde er seine beste Freundin wiedersehen?
    Alek hörte das Dröhnen eines Motors und schaute nach unten zum Hafen. Die Barkasse sank schnell und hielt auf den Aero-Pier an der Südspitze Manhattans zu. Eine Art Motorboot zischte über das dunkle Wasser und schob sich zwischen den anderen wippenden Lichtern hindurch.
    »Nach dem, was ich in Pancho Villas Cañon mitbekommen habe«, fuhr Malone fort, » hörten Sie sich so an, als würden Sie schon wissen, wer sie ist. Wann haben Sie denn zum ersten Mal Verdacht geschöpft?«
    Alek runzelte die Stirn. Das Motorboot hatte gewendet und donnerte jetzt genau auf die Barkasse zu. Plötzlich blitzte es auf dem Deck, und eine Rauchwolke wallte auf und verbarg das Boot für einen Augenblick.
    »Ich glaube, das ist eine Art …«, begann Alek, doch seine Stimme versagte,

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