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GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

Titel: GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Westerfeld
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verlassen.« Lilit lächelte. »Du bist immer noch in Alek verliebt, oder?«
    Deryn öffnete den Mund, doch der Projektor begann wieder zu surren, und die Leinwand flackerte. Sie räusperte sich, weil ihr Mund zu trocken war, um zu sprechen.
    »Er scheint ein bisschen erwachsener geworden zu sein«, sagte Lilit. »Jetzt, da sein Leben einen Sinn bekommen hat.«
    Deryn fand ihre Stimme wieder. »Aye. Er hat sich eingeredet, das Schicksal habe ihn dazu bestimmt, diesen Krieg zu beenden. Und alles sei Teil eines großen Plans.«
    »Ach. Damit hat er also die wichtigste Regel der Kriegsführung vergessen.«
    »Die da lautet …«
    »Nichts verläuft je nach Plan. Aber inzwischen hat er dein Geheimnis gelüftet, oder?«
    Deryn holte tief Luft. Sie hatte vergessen, wie entnervend perspikuitiv Lilit sein konnte. »Aye. Das hat unsere Beziehung nicht gerade vereinfacht.«
    »Sollte es aber. Jetzt kannst du ihm sagen, was du willst.«
    »Aye, doch dazu müsste ich das ja erst einmal selbst wissen«, erwiderte Deryn.
    Einerseits wäre sie am liebsten hier in Amerika bei Alek geblieben, doch andererseits würde sie damit auf ihre Karriere verzichten. Sie konnte das Angebot von Miss Eierkopf annehmen und für die Londoner Zoogesellschaft arbeiten, oder sogar beim Air Service bleiben, aber es würde immer die Gefahr bestehen, dass man ihr Geheimnis aufdeckte und sie dadurch alles verlor.
    Sie steckte in einem brüllenden Schlamassel.
    Deryn wandte sich von Lilit ab und starrte nach vorn, wo die nächste Wochenschau begann …
    Und dann schwebte auf einmal die Leviathan über eine weite hügelige Wüste. Das Bild auf der Leinwand war unscharf und farblos, doch in ihrer Erinnerung war es noch äußerst lebendig. Die Perspektive kippte und legte sich eine Kurve, und Deryn begriff, dass sich an Bord von General Villas Mantaschiffen Kameras befunden hatten.
    Dann sah sie die Leviathan von oben, und die Kamera spähte über die Kante der Steilwand nach unten, während das Luftschiff in Pancho Villas Cañon sank. Mannschaft und Tierchen huschten wie Insekten über den Rücken, und die stählernen Krallen der Kampffalken glitzerten in der Sonne.
    Plötzlich schob sich eine geflügelte Gestalt ins Bild, ein Flieger, der mit aufgerissenen Augen in die Kamera starrte. Deryn blinzelte und mochte es nicht glauben – das war ihr eigenes Gesicht auf der Leinwand.
    Das Bild wechselte mit einem Text: Der tapfere Flieger erprobt seine Flügel!
    » Erprobt seine Flügel?«, fragte sie laut. Als wäre sie zum Spaß herumgeflogen, und nicht, um eine Katastrophe zu verhindern! Die beiden Mädchen kicherten, als der Text kam. Sie zeigten zur Leinwand.
    »Die scheinen dich ja für einen feschen Burschen zu halten«, sagte Lilit. »Was ja durchaus stimmt. Wann fliegt ihr ab?«
    »Unsere vierundzwanzig Stunden werden heute Nacht ablaufen.«
    »Zu schade. Und Alek bleibt hier, ja?«
    »Aye. Er arbeitet ja jetzt für Tesla.«
    »Oh, armer Dylan.« Die flackernde Leinwand zeigte jetzt Alek, der Pancho Villas riesigen Kampfbullen gegenüberstand. »Aber Dylan ist doch nicht dein richtiger Name, oder?«
    Deryn schüttelte den Kopf, sagte jedoch nichts. Lilit schien aber auch alles zu erraten, was Deryn betraf; da konnte sie den Rest auch genauso gut selbst herausfinden.
    »Willst du eigentlich für immer ein Mann bleiben?«
    »Das ist wohl kaum möglich. Zu viele Leute wissen längst Bescheid.« Deryn sah zu den Schulmädchen hinüber, die von niemandem begleitet wurden und sich deswegen nicht zu schämen schienen. »Aber vielleicht muss ich es ja auch gar nicht. In diesem Land dürfen Frauen auch Ballons führen und Läufer steuern. Dr. Barlow sagt, die britischen Frauen erhalten das Stimmrecht, wenn der Krieg vorbei ist.«
    »Pah. Das Komitee hat das ebenfalls versprochen, als wir noch Rebellen waren.« Lilit schüttelte den Kopf. »Aber jetzt sind wir an der Macht, doch niemand hat es damit eilig. Und als ich mich beschwert habe, wurde ich fünftausend Meilen weit fortgeschickt.«
    »Aye, ich freue mich aber, dass du hier bist«, sagte Deryn leise.
    Sie hatte noch nie mit irgendwem über Alek gesprochen. Das war das Problem, wenn man ein Geheimleben führte. Diese brüllend unsoldatische Geschichte mit der Sehnsucht nach ihm hatte den gesamten Platz zwischen ihren Ohren eingenommen, außer in dem kurzen Zeitraum oben auf dem Rücken.
    »Einmal habe ich ihn schon geküsst«, flüsterte sie.
    »Sehr gut. Und wie hat er reagiert?«
    »Hm …«, seufzte Deryn.

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