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GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

Titel: GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Westerfeld
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Zaven war im Kampf für die Revolution gefallen, und die Regierung des Sultans war gestürzt worden.
    Wieso standen diese beiden Feinde jetzt hier in New York zusammen vor ihr?
    »Mr. Sharp!« Lilit breitete die Hände aus und schloss Deryn fest in die Arme. Einen Augenblick lang befürchtete Deryn, das Mädchen könnte sie küssen, so wie beim letzten Mal, als die beiden sich gesehen hatten. Aber als Lilit sich zurückzog, schenkte sie ihr lediglich ein wissendes Lächeln.
    »Ach, der luftkranke Flieger«, sagte der Kizlar Agha und trat vor, um Deryn die Hand zu schütteln. Er trug einen Abendanzug, der sich kaum mehr von seiner damaligen osmanischen Uniform hätte unterscheiden können. Aber die mechanische Aufnahmeeule saß weiterhin auf seiner Schulter, und ihr Uhrwerk drehte sich. »Ist mir ein Vergnügen, Sie wiederzusehen.«
    »Aye, ganz das meine! Sie beide natürlich.« Deryn schüttelte den Kopf. »Wenn auch recht unerwartet.«
    »Für alle von uns unerwartet, glaube ich«, sagte Lilit und schaute Alek zu, der hinüber zu der Gruppe um Tesla ging. Deryn zwang sich, nicht in die gleiche Richtung zu gucken.
    Vielleicht würde der Krieg tatsächlich bald zu Ende sein, und dann würden sie sich wiedersehen. Doch im Augenblick würde jeder Gedanke an Alek ihr Leben nur komplizierter machen, Schmerzen verursachen und sie möglicherweise völlig durcheinanderbringen.
    »Ich dachte, ihr wäret damit beschäftigt, die Osmanische Republik zu regieren«, sagte Deryn zu Lilit.
    »Das habe ich auch gedacht.« Das Mädchen fluchte ganz und gar undamenhaft. »Aber das Komitee sagt, ich wäre besser für die Rebellion als für die Regierung geeignet, deshalb haben sie mich so weit wie möglich fortgeschickt.«
    »Was wohl kaum als Strafe zu betrachten ist«, meinte der Kizlar Agha und lächelte. »Das hoffe ich wenigstens, denn ich bin ja auch hier.«
    »Hat Alek nicht gesagt, Sie seien der Botschafter, Sir?«, fragte Deryn.
    Der Mann warf sich in die Brust. »Botschafter der osmanischen Republik in den Vereinigten Staaten von Amerika. Ein ziemlich langer Titel, um eine so kleine Tat zu belohnen.«
    »So klein nun auch wieder nicht, Sir«, sagte Deryn und verneigte sich. In der Nacht der osmanischen Revolution hatte der Kizlar Agha den Sultan mit seiner Luftjacht verschwinden lassen – er hatte sozusagen seinen eigenen Herrscher entführt. Diesem Einsatz war es zu verdanken, dass die Rebellion nach einer Nacht beendet gewesen war. »Ich schätze, Sie haben einigen Tausend Menschen das Leben gerettet.«
    »Ich habe nur meine Aufgabe erfüllt und den Sultan beschützt. Der lebt jetzt vergnügt und munter in Persien.«
    Lilit schnaubte. »Er schmiedet vergnügt und munter Komplotte gegen die Republik, meinen Sie. Überall sitzen seine Spione!«
    »Da ist er nicht der Einzige«, sagte Deryn, »wie wir gestern Abend erfahren mussten.«
    »Natürlich.« Der Kizlar Agha griff nach oben und schaltete die mechanische Aufnahmeeule ab. Das Surren der winzigen Räder im Inneren hörte auf. Außerdem senkte er die Stimme. »Wie Sie sich vielleicht erinnern, Mr. Sharp, war der Kaiser ein enger Freund meines früheren Sultans. Ich habe immer noch gute Kontakte zu den Deutschen.«
    Lilit trat ein wenig näher. »Vor Kurzem haben wir einige Geheimnisse von ihnen in Erfahrung gebracht. Geheimnisse, welche die Regierung der Republik nicht an die Briten weitergeben darf. Nicht offiziell jedenfalls.«
    »Und inoffiziell?«, fragte Deryn.
    »Solange niemals jemand die Quelle herausfindet …« Der Kizlar Agha blickte sich um. »Vielleicht sollten Sie beide einen Spaziergang machen und ein wenig über die alten Zeiten sprechen. Um noch einmal die wunderbare Revolution nachzuerleben!«
    »Eine hervorragende Idee.« Lilit nahm Deryn an der Schulter.
    »Ich sollte nicht gehen, ohne Dr. Barlow Bescheid zu sagen.«
    »Es wäre nicht so gut, Aufsehen zu erregen«, sagte Lilit leise. »Wir sind in einer Stunde wieder da. Und ich verspreche, was ich zu sagen habe, ist ein bisschen schlechte Manieren wert.«
    Sich unbemerkt davonzumachen, war nicht so schwierig. Dr. Barlow hatte eine Gruppe Eierköpfe mit Bowler-Melonen entdeckt und unterhielt sich mit ihnen, und Lilit schien sich sehr gut im Konsulat auszukennen. Sie führte Deryn durch die Küche zu einer Hintertür, wo sie von zwei Polizisten überrascht angeschaut wurden, die aber anscheinend nicht den Befehl hatten, jemanden am Verlassen des Gebäudes zu hindern.
    Während sie die Asphaltstraßen

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