Goliath: Roman (German Edition)
Jede Maschine braucht fünf Minuten, um ein Kuheuter leerzupumpen. Organisiert man die Sache entsprechend, werden die fünf Maschinen in knapp zwei Stunden mit der gesamten Herde fertig. Fünf, zehn, fünfzehn, zwanzig … hundertundzwanzig Kühe, die jeweils etwa dreiundzwanzig Liter Milch pro Tag produzieren. Literweise läuft die gesammelte Flüssigkeit durch die vom Landwirtschaftsministerium vorgeschriebenen Rohre in einen gekühlten Behälter, um später mit dem Tankwagen zu einer der örtlichen Molkereien transportiert zu werden. Zweimal täglich werden die Kühe gemolken; im Sommer treibt man sie regelmäßig von einer Weide zur anderen. Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme müssen überwacht werden, dazu kommt der exakte Zuchtkalender für jedes Tier der Herde.
Gunnar ist dankbar für die langen Arbeitstage, weil sie ihm helfen, die Finger vom Alkohol zu lassen. Früher hat er nie viel getrunken, auch nicht in seiner Studienzeit, und während der Spezialausbildung der Army schon gar nicht. Ich werde Geist und Körper rein, gesund und kräftig erhalten, denn das schulde ich allen, die auf mich angewiesen sind.
Was für ein netter Spruch.
Erst nach seiner Entlassung aus der Haft ist er dem Alkohol verfallen.
Das Trinken, das soll man nicht lassen, das Trinken regiert doch die Welt … wenn alles, was du einmal warst, urplötzlich zusammenfällt … das Trinken, das soll man nicht lassen …
Ein Jahr hat er auf der Straße gelebt, ein Jahr ist er jeden Morgen in seinem eigenen Urin, seiner Kotze aufgewacht. Nachdem er sich ausgiebig im Dreck gewälzt hatte, hat er zwei Monate in einer Suchtklinik verbracht und sich dann, noch immer voller Zorn und Schuldgefühle, zur Farm seines Vaters zurückgeschleppt. Durch die lebenslange Verpflichtung, sich an die Regeln der Anonymen Alkoholiker zu halten, und durch die harte Arbeit auf der Farm hat er es geschafft, sein Leben ganz allmählich wieder in den Griff zu bekommen. Die Wunden aber sind immer noch vorhanden; sie eitern direkt unter der Oberfläche weiter.
Tag für Tag ringt Gunnar Wolfe mit der Ironie des Lebens, wie er sie erfahren hat.
Ich werde mein Leben leben, Tag für Tag …
Als Kind hat Gunnar immer Angst vor Herausforderungen gehabt. Introvertiert, wie er war, hat er im Sport kaum Kampfgeist gezeigt, obwohl er seinen Kameraden durch die Arbeit auf der elterlichen Farm körperlich überlegen war. Während sein Vater es gern gesehen hätte, wenn sein einziges Kind in seine Fußstapfen getreten wäre, hat seine Mutter ihn gedrängt, mehr aus seinem Leben zu machen. Sie hat ihn zum Lesen angehalten und ihn ständig mit neuen, inspirierenden Abenteuergeschichten versorgt. Sie ist mit ihm zu einem Fitnesscenter gefahren, um einen Trainer für ihn auszusuchen, hat ihn zu einem Karatekurs angemeldet und ihn ermutigt, an der Highschool am Mannschaftssport teilzunehmen. Dabei hat er es im Football und im Basketball bis in die Auswahl seines Heimatstaats geschafft.
Langsam, aber sicher hat der kräftige junge Mann sein Schneckenhaus verlassen.
Der tragische Tod seiner Mutter hat Gunnars Leben dann endgültig verändert. Zwei Wochen nach ihrem Begräbnis, als er gerade achtzehn und in seinem ersten Studienjahr war, hat er das Hauptfach gewechselt. Als Harlan Wolfe von der »blasphemischen« Entscheidung seines Sohnes erfuhr, von der Landwirtschaft zum Ingenieurswesen überzulaufen, hat er damit gedroht, ihm den Geldhahn zuzudrehen. So war Gunnar gezwungen, dem Reserveoffiziersprogramm der Army beizutreten, um auf dem Campus wohnen zu können.
In seinem zweiten Studienjahr hat Gunnars alter Highschool-Coach ihn gedrängt, es beim Footballteam seiner Universität zu versuchen. Alle waren überrascht, als der junge Einzelgänger es bis in die zweite Mannschaft schaffte. Schon im nächsten Jahr spielte er in der ersten Mannschaft, und sein in letzter Minute erzielter Touchdown gegen das Team der Michigan State brachte die Nittany Lions ins Endspiel der Meisterschaft.
Im selben Jahr nahm Gunnar an einem Army-Kurs für Fallschirmspringer teil. Verglichen mit diesem ersten Vorgeschmack echter militärischer Disziplin war das Reserveoffizierstraining am College ein reines Zuckerschlecken gewesen. Drei lange Wochen ertrug er schier endlose Läufe, Krafttraining und andere mörderische Übungen, die er im Wechsel mit der besten Fallschirmspringerausbildung des Landes absolvieren musste.
Am Anfang hatte Gunnar Höhenangst, dann stellte er fest, dass die
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