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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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hockt und jede Hoffnung auf Befreiung aufgegeben hat.
    Tron beschloss, dass ein stutzendes Stirnrunzeln der angemessene Gesichtsausdruck für seinen nächsten Zug sein würde. Also runzelte er die Stirn und warf einen überraschten Blick über den Tisch, während er sagte: «Sie arbeiten für eine Bank, Signore?»
    Leinsdorf, tief in seiner schlammigen Grube, wackelte kurz mit dem Kopf, was Tron als zustimmendes Nicken deutete.
    Tron verstärkte sein überraschtes Stirnrunzeln noch ein wenig und bot nunmehr – hoffentlich –  den Anblick eines Mannes, der kurz davor war, eine wichtige Entdeckung zu machen. Er räusperte sich.
    «Für den Wiener Bankverein?»
    Etwas in Trons Tonfall schien einen Strahl der Hoffnung in Leinsdorfs Grube zu werfen. Jedenfalls richtete er sich auf und fragte: «Warum wollen Sie das wissen, Commissario?»
    Worauf Tron, der zufrieden feststellte, dass ihm die Szene flott von der Hand ging, nach Art der Süditaliener die Arme hochwarf, ungläubig den Kopf schüttelte und sagte: «Weil ich Alvise Tron bin. Und weil morgen in unserem Hause der Ball stattfindet.»
    Ob er jetzt in Tränen ausbrechen und Leinsdorf anschließend umarmen sollte? Wie einen verlorenen Sohn? Nein – zu dick durfte er auch nicht auftragen.
    Leinsdorf starrte Tron entgeistert an. «Warum haben Sie das nicht gleich gesagt, Commissario?»
    «Weil ich nicht wusste, wer Sie sind, Signore.»
    Tron schob das Überstellungsprotokoll, das immer noch vor ihm auf dem Schreibtisch lag, ein paar Zentimeter nach links, ein paar Zentimeter nach rechts. Dann sagte er mit betretener Stimme: «Diese Situation ist außerordentlich fatal. Für alle Beteiligten.»
    Tron sah, wie Leinsdorf fieberhaft nachdachte.
    Kam es jetzt? Würde er den einzigen Rettungsanker ergreifen, der ihm noch geblieben war? Offenbar – denn Leinsdorf hatte plötzlich die verschlagene Miene eines Mannes, der auf eine Goldader gestoßen war und nicht beabsichtigte, sie mit irgendjemandem zu teilen. Er hüstelte und erkundigte sich dann wie beiläufig: «Kennen Sie den Stand meiner Verhandlungen mit der Fürstin?»
    Tron machte ein verlegenes Gesicht und sagte:
    «Nicht so genau.»

    «Diese Verhandlungen sind abgeschlossen», fuhr Leinsdorf fort. «Es gibt unterschriftsreife Verträge, die nur noch paraphiert werden müssen. Die paraphiert werden könnten, wenn die Situation eine andere wä re.» Er beugte sich nach vorne und sah Tron erwartungsvoll an.
    Das war bereits ein eindeutiges Angebot, aber Tron hielt es für klüger, Leinsdorf noch ein wenig zappeln zu lassen. «Dann bitten wir die Fürstin auf die Questura», sagte er.
    Leinsdorf runzelte unwillig die Stirn. «Ich soll diese Verträge im Arrest unterzeichnen? Unten in Ihrem Kerker ?»
    Tron setzte ein großzügiges Lächeln auf. «Sie könnten selbstverständlich mein Büro benutzen.»
    «Die Frage ist, ob ich in einer solchen Situation noch dazu legitimiert bin, Verträge abzuschließen.»
    «Dann gebe ich Ihnen zwei Wachtmeister mit, die Sie zum Palazzo Balbi oder in Ihre Suite begleiten.
    Sie sollten jedenfalls noch unterschreiben, bevor man Sie am Montag nach Verona überstellt.»
    Leinsdorfs Gesicht verfärbte sich. «Commissario, Sie verstehen die Situation nicht.»
    «In welcher Hinsicht?»
    «Eine Überstellung nach Verona ist das Ende für mich. Gesellschaftlich und beruflich. Meine Unterschrift ist dann nichts mehr wert.»
    «Soll das bedeuten, dass Sie nur dann unterschreiben können, wenn ich die Ermittlungen einstelle und Sie …»

    «Darauf wird es wohl hinauslaufen.»
    «Das kann ich nicht, Signor Leinsdorf. Ich könnte allenfalls versuchen, den Polizeipräsidenten am Montag davon zu überzeugen, dass es für eine Überstellung nach Verona keinen Grund gibt. Aber ich befürchte, dass …» Tron unterbrach sich und machte ein unglückliches Gesicht.
    «Was befürchten Sie?»
    «Dass der Polizeipräsident Ihren Fall an das Militär weiterreichen wird», sagte Tron. «Komplizierte Fälle gibt der Baron gerne an die Kommandantura weiter.»
    Das musste Leinsdorf sich erst mal durch den Kopf gehen lassen. Er schwieg, und nach einer Weile sagte er in nachdenklichem Ton: «Vielleicht wäre es dem Polizeipräsidenten ja am liebsten, wenn Sie ihn erst gar nicht mit einem komplizierten Fall behelligen würden.»
    «Wie soll ich das verstehen?»
    «Sind Sie ernsthaft der Ansicht, ich hätte diese Person getötet, Commissario?»
    Tron schüttelte energisch den Kopf. «Nein.»
    Leinsdorf warf

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