Gondeln aus Glas
Pappschachtel aus der Tasche ihres Reisekleides, auf der in verschnörkelten Buchstaben Maria Mancini stand. Der Schachtel entnahm sie eine Zigarette, entzündete sie und erinnerte Tron einen Moment lang an die Principessa. Dann sagte sie, den Blick auf das glühende Ende ihrer Zigarette gerichtet: «Jedenfalls empfing uns am Landungssteg eine Kompanie päpstlicher Zuaven. Ihr Kommandant erwies uns auf dem Weg nach Rom die Ehre, neben der königlichen Karosse herzureiten.
Wir hatten das Vergnügen, miteinander zu plaudern.»
Tron vermutete, dass sich das wir auf ein Gespräch zwischen der Königin und diesem Kommandanten bezog. Er wusste, dass die päpstlichen Zuaven eine Art Fremdenlegion darstellten, in der die Kadetten aus den angesehensten europäischen Familien kamen.
Es blieb unklar, in welche Richtung sich die Erzählung der Königin bewegte.
«Dieses Gespräch», fuhr die Königin fort, «wäre folgenlos geblieben, hätte es nicht eine Woche später eine zufällige Begegnung in den Vorräumen des päpstlichen Palastes gegeben.»
Die Königin starrte so lange über Trons Schulter hinweg, dass Tron in die Versuchung kam, sich umzudrehen, um nachzusehen, ob jemand heimlich ins Zimmer gekommen war und jetzt stumm über den Teppich schlich.
«Ich erinnere mich noch genau», fuhr die Königin fort, «was ich zu dem Kommandanten gesagt hatte.
Ich sagte: Oh, voilà notre bon ami de l’autre fois. »
Marie Sophie lächelte und schwieg einen Moment, bevor sie weitersprach. «Und es war auch ein Zufall, dass Pius IX. diesen Kommandanten zu meinem Ehrenkavalier bestimmte. Er hatte die Aufgabe, mich mit Rom vertraut zu machen und mich auf Ritten in die Campagna zu begleiten.»
Sie schob sich eine winzige Haarsträhne hinters Ohr und sagte leise und ohne Tron anzusehen: «Sein Name war Armand de Lawayss.»
44
Die Nachricht von Direktor Leinsdorf, auf einem offiziellen Briefbogen des Wiener Bankvereins geschrieben, hatte den Palazzo Balbi inzwischen erreicht. Die Principessa nahm sie sofort zur Hand, als Tron ihren Salon betrat.
Tron sah, dass sie ihre übliche Geschäftskleidung bereits angelegt hatte: ein streng geschnittenes Promenadenkleid aus grauer Serge, über dessen Oberteil ihr Pincenez an einer kleinen goldenen Kette herabhing. Ihr Haar war mit zierlichen Ebenholzkämmen nach oben gesteckt und am Hinterkopf zu einer Art Knoten verschlungen, was ihren Nacken auf eine strenge und zugleich laszive Weise freilegte. Wieder einmal staunte Tron darüber, wie sie das Kunststück fertig brachte, ungeheuer weiblich und ungeheuer eisig zugleich auszusehen.
«Das kam vor einer Stunde aus dem Danieli.» Die Principessa streckte Tron den Brief entgegen. Ihre Stimme klang kühl und geschäftsmäßig.
Der kurze Brief war in eckiger, militärisch anmutender Handschrift geschrieben. Leinsdorf hatte sich auf die Nachricht beschränkt, dass er die Stadt dringend verlassen müsse und bereit sei, die Verträge noch heute Nachmittag in seiner Suite zu unterschreiben.
Tron lächelte. «Er hat sich also daran gehalten.»
Die Principessa sah Tron irritiert an. «Woran hat er sich gehalten?»
«An unsere Abmachung.»
«An welche Abmachung, Tron?» Das klang so messerscharf und ungeduldig, dass Tron unwillkürlich Haltung annahm.
Er sagte: «Orlow wurde ermordet, und Leinsdorf ist gestern Nacht an der Sacca della Misericordia über seine Leiche gestolpert. Zwei Kroatische Jäger haben ihn aufgegriffen. Leinsdorf hat nichts mit dem Mord zu tun. Aber da Orlow ein Mitglied befreundeter Streitkräfte ist, könnte die Kommandantur die Ermittlungen an sich ziehen und ihn nach Verona überstellen. Jedenfalls habe ich mich Leinsdorf gegenüber in diesem Sinne geäußert.»
Die Principessa machte ein ungläubiges Gesicht.
«Das hat er dir abgenommen?»
Tron lächelte. «Er hat mir auch abgenommen, dass die Entscheidung, ihn aus der Haft zu entlassen, nur vom Polizeipräsidenten persönlich getroffen werden kann. Und dass der ihn wahrscheinlich an die Militärpolizei weiterreichen wird. Als ich ihm dann mitgeteilt habe, dass ich Alvise Tron bin …»
«Wusste er das nicht?»
Tron schüttelte den Kopf. «Er hielt mich für einen Commissario, der zufällig Tron heißt. Als er das hörte, wurde ihm klar, wie …»
Die Principessa lachte. «Wie er dich motivieren könnte, ihn trotzdem freizulassen. Weiß die Königin bereits, dass Oberst Orlow tot ist?»
«Ich war eben bei ihr.»
«Hast du ihr das Bild von Kostolany
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