Gondeln aus Glas
angeboten hatte, war klar, dass Kostolany das Bild nicht kaufen würde und sich die Königin daraufhin an andere Händler wenden würde – die ihr natürlich gesagt hätten, dass es sich bei ihrem Tizian um eine Fälschung handelte.»
Sivry hatte sofort begriffen, worauf Tron hinauswollte. «Also musste der Pater den falschen Tizian aus dem Verkehr ziehen.»
«Was unmöglich war, ohne Kostolany dabei zu töten.»
Sivry nickte, aber sein Nicken schien keine Zustimmung zu bedeuten. Er griff nach der Likörflasche, die auf einem kleinen Tischchen neben seinem Sessel stand, schüttete sich ein wenig Likör ein und schwenkte das Glas in kleinen Kreisen. Schließlich sagte er, ohne Tron anzusehen: «Es tut mir leid, Commissario.» Und dann, eine kurze, abgrundtief schwarze Sekunde später: «Aber dieses Bild hier ist eine Kopie.»
Äh, wie bitte? Hatte Sivry soeben tatsächlich Kopie gesagt? Das konnte nicht sein. Das war ausgeschlossen. Zur Sicherheit fragte Tron noch einmal nach.
«Pater Terenzio hat Kostolany eine Fälschung verkauft?»
Sivry nickte. «Dieser Pater hat ihn tatsächlich getäuscht. Die Kopie ist perfekt.» Er drehte den Kopf nach links, wo der Tizian mit der Rückseite nach vorne an der Wand lehnte. «Und die Rückseite ist absolut perfekt.» Sivrys Stimme vibrierte vor professioneller Bewunderung.
Jetzt verstand Tron überhaupt nichts mehr. «Sagten Sie: die Rückseite ?»
Sivry schlug die Beine übereinander, schnippte ein Stäubchen von seinem rechten Hosenbein und sah Tron an. Er war jetzt ganz in seinem Element.
«Ich vermute mal, der Name Abraham Wolfgang Küfner sagt Ihnen nicht viel.»
Tron schüttelte den Kopf.
«Die Geschichte», sagte Sivry, «hat sich zur Jahrhundertwende in Nürnberg abgespielt. Küfner sollte ein Selbstportrait Dürers kopieren, das sich seit dem 16. Jahrhundert im Besitz der Stadt befand. Der Bildträger war eine daumendicke Lindenholztafel, die auf der Rückseite Siegel und Echtheitsbestätigungen trug. Diese Platte», fuhr Sivry fort, «hat Küfner durchgesägt und auf die Vorderseite der originalen Rückseite eine Kopie gemalt.»
«Die er der Stadt als Original zurückgegeben hat?»
Sivry wischte mit seinem Taschentuch an dem nassen Ring herum, den das Glas auf dem Tischchen hinterlassen hatte. Dann nickte er. «Ohne dass jemand misstrauisch wurde. Der Betrug flog erst auf, als Küfner den echten Dürer an die Gemäldesammlung des bayerischen Kurfürsten verkauft hat. Kostolany ist vermutlich von selbst darauf gekommen.
Aber da hatte er das Gemälde schon gekauft. Und Pater Terenzio wird sich geweigert haben, das Geschäft rückgängig zu machen.»
Tron wiegte nachdenklich den Kopf. «Auf dem Kunstmarkt konnte Kostolany das Bild nicht anbieten, denn irgendwo, vielleicht sogar in Venedig, gab es jemanden, der das Original hatte. Also hat er den falschen Tizian an Troubetzkoy abgegeben – mit dem Ratschlag, ihn eine Zeit lang unter Verschluss zu halten. Aber dann tauchte die Königin in Venedig auf und hatte das Original. Worauf Kostolany schlagartig in einer völlig neuen Verhandlungsposition war.»
Sivry nickte. «Kostolany konnte Pater Terenzio damit drohen, der Königin alles zu erzählen – es sei denn, der Pater wäre bereit, zumindest einen Teil der Kaufsumme für den falschen Tizian zurückzugeben.»
Tron sagte: «Woraufhin Pater Terenzio es für sicherer hielt, Kostolany zu töten. Und um das Verbrechen als Raubmord erscheinen zu lassen, hat der Pater den Tizian mitgehen lassen.»
Sivry nippte vorsichtig an seinem Likörglas und lächelte. «Der sich folglich irgendwo hier in Venedig befindet.»
29
Irgendwo hier in Venedig, dachte Tron, als er das Geschäft Sivrys verließ und in den Schatten der Arkaden trat. Na, das war wirklich hilfreich.
Natürlich hatten er und Bossi die beiden kleinen Räume, die Pater Terenzio in der Küsterei von San Pantalon bewohnt hatte, gründlich durchsucht. Aber außer ein paar schäbigen Kleidungsstücken, einem halben Dutzend Büchern erbaulichen Inhaltes und diverser Malutensilien hatten sie nichts gefunden.
Keine Briefe, keine persönlichen Aufzeichnungen noch irgendwelche konkreten Hinweise auf Kontakte, die Pater Terenzio hier in Venedig gehabt haben mochte. Da es zu diesen Räumen einen unmittelbaren Zugang direkt von der Calle San Pantalon gab, konnte der Küster auch über die Lebensgewohnheiten von Pater Terenzio keine Auskunft geben. Wo das Geld geblieben war, das Pater Terenzio von
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