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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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fuhr er fort, «dass Sie Ihre und auch meine Zeit verschwenden. Ich möchte, dass Sie jetzt gehen und nie wieder hier auftauchen.»
    Und dann sagte Troubetzkoy noch etwas, das völlig überflüssig war. Er sagte: «Aber auch wenn ich alles das verbrochen hätte, was Sie mir hier unterstellen – Sie wissen genau, dass Sie nichts tun können.»
    «Hoheit täuschen sich. Ich kann durchaus etwas tun», sagte Tron, ohne nachzudenken. Nicht dass er wusste, was er tun konnte, aber er hatte das dringende Bedürfnis, Troubetzkoy zu widersprechen.
    Troubetzkoy gab sich nicht mehr die geringste Mühe, die Verachtung aus seiner Stimme herauszuhalten. «Und was, Commissario?»
    Das war vermutlich die Frage, die sich jetzt auch Bossi stellte. «Ich könnte», sagte Tron etwas lahm, «einen Bericht für den Polizeipräsidenten schreiben.»
    Nein, dachte er, das war keine gute Antwort. Das war eine ausgesprochen schlechte Antwort. «Einen Bericht», fuhr er fort, «der mit dem Hinweis endet, dass eine Verhaftung und eine Anklage auf Grund der diplomatischen Immunität des Verdächtigen nicht erfolgen konnte. Eine Kopie geht an Toggenburg, die andere nach Wien an den Ballhausplatz.»
    Das war auch nicht sehr aufregend, aber Tron hatte jetzt das vage Gefühl, dass er sich in die richtige Richtung bewegte.
    Troubetzkoy zuckte gelangweilt die Achseln. «Das bleibt Ihnen unbenommen.»
    Bei dem Wort Kopie musste Tron an Pater Terenzio denken, und plötzlich fiel ihm ein, was er tun konnte. Es war niederträchtig und illegal, aber es würde funktionieren. Und wenn Sergente Bossi sah, dass sein Commissario immer noch einen Trick auf Lager hatte, konnte es auch nicht schaden.
    «Allerdings kann in solchen Fällen niemand ausschließen», sagte Tron langsam, «dass entgegen den Dienstvorschriften weitere Kopien des Berichtes angefertigt werden.» Er machte eine kleine Pause, um Troubetzkoy und Bossi Zeit zu geben, diese Worte zu verarbeiten. «Und dass diese Kopien», fuhr er fort, «anschließend in der Stadt kursieren.»
    Selbst im Gegenlicht war deutlich zu erkennen, dass Troubetzkoy bleich geworden war. Er starrte Tron ungläubig an, und es dauerte eine paar Augenblicke, bis er in der Lage war zu sprechen. «Sie sind wahnsinnig, Commissario.»
    Tron, von Bossis anerkennendem Räuspern be flügelt, fand, dass es nicht schaden konnte, noch eins draufzusetzen. «Hoheit werden in Zukunft der Mann sein», sagte er, «der seine Geliebte erdrosselt hat – wo immer Hoheit sich in Venedig aufhalten. Auf der Piazza, im Ridotto, in sämtlichen Restaurants und Cafés und auf allen diplomatischen Empfängen.»
    So – das sollte reichen. Tron unterdrückte den Impuls, sich die Hände zu reiben. Er stand auf, drehte sich um und ging auf die Salontür zu, die Bossi schon für ihn geöffnet hatte. Als er im Begriff war, die Schwelle zu überschreiten, hörte er hinter sich die Stimme Troubetzkoys.
    «Commissario?»
    Tron drehte sich um. Der Großfürst war aufgestanden und stützte sich mit den Fingern auf die Platte seines Schreibtisches. Der wütende Ausdruck war aus seinem Gesicht verschwunden. Troubetzkoy sagte: «Ich glaube nicht, dass Sie diesen Bericht schreiben werden.»
    Tron hob die Augenbrauen. «Und warum nicht?»
    «Weil es ein paar Dinge gibt, die Sie nicht wissen.» Der Großfürst machte eine resignierte und zugleich bittende Handbewegung zu dem Stuhl, von dem sich Tron eben erhoben hatte.
    Nachdem Tron wieder Platz genommen hatte,  sagte Troubetzkoy: «Potocki hat Ihnen nicht die ganze Wahrheit erzählt.» Er zuckte die Achseln. «An seiner Stelle hätte ich es auch nicht getan. Ich hätte – im Gegenteil – großen Wert darauf gelegt, dass Sie es nicht erfahren.»
    «Worüber hat Potocki mir nicht die ganze Wahrheit gesagt?»
    «Über die Situation im Palazzo Mocenigo.» Troubetzkoy lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und starrte einen Moment lang an die Decke. Dann fragte er: «Ist Ihnen etwas am Verhältnis zwischen der Kinsky und Potocki aufgefallen?»
    «Dass sie sich nicht ausstehen können.»
    Troubetzkoy sah Tron amüsiert an. «Dann hat das Schmierentheater also funktioniert.»
    «Was soll das heißen?»
    «Dass Potocki und die Kinsky ungefähr zwei Wochen nach dem Einzug der Kinsky bei den Potockis ein Verhältnis miteinander begonnen haben. Erst danach hatte sich unsere Beziehung entwickelt.»

    Troubetzkoy schloss einen Moment lang die Augen.
    Dann sagte er: «Wir sind uns zum ersten Mal in St.  Petersburg begegnet,

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