Gone 4: Rache
blaue Augen, die wie Fische in einem Aquarium schwammen.
Der blasse Tentakel streckte sich tastend nach ihm aus, konnte ihn aber nicht finden, weil er nicht mehr hoch oben auf der Kante und über allem stand.
Er fiel, wirbelte abwärts in den Durst, die glühende Hitze und die Schmerzen.
Du musst das stoppen, sagte er sich.
Aber wie?
Einundzwanzig
24 Stunden, 10 Minuten
Der kleine Pete fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Sie waren trocken und rissig. Astrid war auch durstig. Sie war trotz der Quarantäne ein paarmal draußen gewesen und hatte nach Wasser gesucht. Es gab aber keins.
Jetzt wollte sie auf den Tau warten, der sich frühmorgens in den Blättern der Bäume und an der Hausverkleidung sammeln würde. Der Saugschwamm, ein Eimer und ein paar halbwegs saubere Lappen standen bereit. Sie musste Wasser auftreiben. Sie musste Pete etwas zu trinken geben.
Es gab niemanden, den sie um Hilfe bitten konnte. Sam war nicht in der Stadt. Und Edilio war nirgends zu finden. Sie kannte sonst keinen, an den sie sich wenden konnte.
Pete hustete und leckte sich wieder über die Lippen. Sein in der Luft schwebender Körper drehte sich im Wind, der durchs Fenster wehte, langsam um die eigene Achse. Wie ein Hähnchen auf dem Grill.
Danach lag Diana allein in ihrem Bett. Sie hatte Caine hinausgeworfen, und Caine war froh gewesen, dass er gehen konnte.
Diana hätte kein Problem damit gehabt, wenn er geblieben wäre. Aber sie spürte, dass er Ruhe zum Nachdenken brauchte. Über das, worauf er sich da eingelassen hatte. Garantiert bereute er längst jede seiner Andeutungen, dass er ihre Bedingungen akzeptiert hatte und sich von nun an zusammenreißen würde.
Die Vorstellung, er würde sich vielleicht wirklich ändern, war natürlich reinstes Wunschdenken. Eines Tages vielleicht. Wenn er älter wäre. Wenn er einen Beruf, Frau und Kinder und all das hätte, was wilde Jungs zu Männern machte. Obwohl sich Männer auch nicht immer besser benahmen als Jungs.
Diana blieb auf ihrer Seite des Betts liegen, so als wäre Caine noch da. Das war jetzt seine Seite. Sie gehörte fortan ihm.
Jedenfalls musste sie zusehen, dass sie irgendwo Kondome auftrieb. Nach zweimal Sex war das Risiko einer Schwangerschaft nicht besonders groß, schon gar nicht, wenn ein Körper so mitgenommen war wie ihrer. Aber dennoch. Das Letzte, was irgendwer wollte, war ein Baby.
Welche Chance hätte ein Kind mit Caine als Vater und ihr als Mutter? Diana lachte leise. Und wusste später nicht mehr, in welchem Moment und aus welchem Grund ihr Lachen in bitterliches Weinen übergegangen war.
Edilio stand im Flur vor Roscoes Zimmer. Er rührte sich nicht, gab keinen Laut von sich, wagte nicht mal zu atmen.
Was sollte er ihm sagen? Was sagte man einem Jungen, der sterben würde? Die schreckliche Wahrheit? Dass es keine Rettung für ihn gab?
Außerdem würde das, was Edilio als Nächstes tun musste, Roscoes Hoffnungen vollends zunichtemachen.
Edilio blickte auf die Sperrholzplatten. Drei Stück, jede ein Meter zwanzig im Quadrat, dazu ein Hammer und eine Schachtel mit Nägeln. Kanthölzer.
Es ging nicht anders. Roscoe würde sterben und die Monster in ihm durften nicht entkommen.
Edilio zerrte die erste Platte über den dunklen Flur und lehnte sie an die Tür.
»Wer ist da?«, schrie Roscoe. »Ich hör dich!«
»Ich bin’s. Edilio.«
»Edilio, du musst mir helfen!«
Edilio öffnete die Schachtel mit den Nägeln, griff nach dem Hammer und platzierte den Nagel so, dass er durch die Holzplatte hindurch in die Füllung zwischen Wand und Türrahmen dringen würde.
»Roscoe, ich kann nichts tun, Bruder … ich muss … du wirst jetzt gleich ein Hämmern hören.«
»Was?«
Edilio schlug mit dem Hammer auf den Nagel. Er musste vorsichtig sein. Es war finster, und Nägel nach Gespür einzuschlagen, war nicht so leicht. Außerdem würde es ewig dauern.
»Ich muss das tun«, sagte Edilio.
»Was? Du mauerst mich ein? Lässt mich einfach sterben?«
Edilio zögerte. »Ja.«
»Das glaub ich nicht.«
»Ich muss das auch bei deinem Fenster machen.«
»Nein, Edilio! Tu das nicht, Mann! Du willst das nicht tun.«
»Stimmt, ich will das nicht tun.«
Roscoe verfiel in Schweigen, während Edilio die beiden Platten festnagelte. Als er fertig war, stellte er das Kantholz gegen die Platte und nagelte es ebenfalls fest. Das andere Ende schlug er mit dicken langen Nägeln in den Boden. Ihm war, als benötigte er dafür eine Ewigkeit.
Wieder draußen an der
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