Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
hefteten sich wie freundliche Pointer-Hunde an unsere Fersen: Allmählich wurden sie uns vertraut wie Möbelstücke. Bestimmt war das auch ihr Plan. Boney trug die gleichen Klamotten wie zu jedem öffentlichen Event: einen vernünftigen schwarzen Rock, eine graugestreifte Bluse, Haarklammern rechts und links in ihren schlaffen Haaren. Ich hab ein Mädchen namens Boney Moronie … Die Nacht war schwül, und unter jeder ihrer Armbeugen war ein dunkler Schweiß-Smiley zu sehen. Sie lächelte mir zu, als wären die Anschuldigungen gestern – und es waren Anschuldigungen gewesen, oder etwa nicht? – nie ausgesprochen worden.
Die Elliotts und ich stiegen hintereinander die Stufen zu einer klapprigen provisorischen Bühne empor. Ich schaute mich zu meiner Zwillingsschwester um, die mir zunickte und pantomimisch tief Luft holte, damit ich nicht zu atmen vergaß. Hunderte Gesichter blickten zu uns auf, Kameras klickten und blitzten. Nicht lächeln, sagte ich mir. Auf gar keinen Fall lächeln .
Von Dutzenden Findet-Amy-T-Shirts musterte mich meine Frau.
Go hatte gesagt, ich müsste eine Rede halten (»Du musst dafür sorgen, dass man dich als Mensch sieht, und zwar schnell«), also ging ich zum Mikrophon. Es war viel zu niedrig, halbe Bauchhöhe, ich kämpfte ein paar Sekunden und versuchte es hochzuziehen, bekam es aber nur ein paar Zentimeter weiter nach oben. So eine Art Fehlfunktion hätte mich normalerweise zur Weißglut gebracht, aber ich konnte vor den Augen der Öffentlichkeit nicht wütend werden, also holte ich tief Luft und las die Worte ab, die meine Schwester für mich aufgeschrieben hatte: »Meine Frau, Amy Dunne, ist seit fast einer Woche verschwunden. Ich kann Ihnen nicht einmal ansatzweise vermitteln, wie viel Angst und Sorge unsere Familie empfindet, welch tiefes Loch Amys Verschwinden in unser Leben reißt. Amy ist die Liebe meines Lebens, sie ist das Herz ihrer Familie. Für diejenigen, die sie noch nicht kennengelernt haben – sie ist lustig, sie ist bezaubernd, ein ausgesprochen freundlicher Mensch. Sie ist klug und warmherzig. Sie ist meine Unterstützung und meine Partnerin in jeder Hinsicht.«
Ich schaute in die Menge und entdeckte dort wie durch ein Wunder Andie, einen angewiderten Ausdruck auf dem Gesicht. Hastig konzentrierte ich mich wieder auf meine Notizen.
»Amy ist die Frau, an deren Seite ich alt werden möchte, und ich weiß, dass es so kommen wird.«
PAUSE. ATMEN. NICHT LÄCHELN. Go hatte das tatsächlich auf meine Karteikarte geschrieben. Kommen wird kommen wird kommen wird. Meine Stimme hallte aus den Lautsprechern und rollte hinunter zum Fluss.
»Wir bitten Sie, uns zu kontaktieren, wenn Sie irgendwelche Informationen haben. Heute Abend zünden wir Kerzen an in der Hoffnung, dass Amy bald und wohlbehalten nach Hause kommt. Ich liebe dich, Amy.«
Ich ließ meine Blicke schweifen, nur nicht zu Andie. Überall im Park schimmerten Kerzen. Eigentlich sollte eine Schweigeminute eingehalten werden, aber Babys weinten, und ein obdachloser Mann stolperte herum und fragte laut und hartnäckig: »Hey, worum geht’s denn? Für wen ist das hier?« Jemand flüsterte Amys Namen, und der Typ rief noch lauter: »Was? Für wen?«
Schließlich kam Noelle Hawthorne, die mitten im Publikum gestanden hatte, mit großen Schritten nach vorn, einen Drilling auf der Hüfte, die beiden anderen an den Rockzipfeln, alle drei absurd winzig, jedenfalls in den Augen eines Mannes, der nie etwas mit Kindern zu tun gehabt hatte. Noelle zwang die Menschenmenge, sich für sie und ihre Kinder zu teilen, marschierte direkt an den Rand der Bühne und blickte zu mir empor. Ich funkelte sie an – die Frau, die mich verleumdet hatte –, und dann bemerkte ich zum ersten Mal ihren deutlich gewölbten Bauch. Offensichtlich war sie wieder schwanger. Eine Sekunde blieb mir der Mund offenstehen – vier Kinder unter vier Jahren, Großer Gott! Später würde dieser Gesichtsausdruck analysiert und diskutiert werden, und die meisten Menschen würden glauben, dass er von einem Doppelpack Wut und Angst herrührte.
»Hey, Nick .« Ihre Stimme verfing sich in dem halbwegs hochgeschobenen Mikrophon und dröhnte ins Publikum hinaus.
Hektisch begann ich den Abschalteknopf zu suchen, konnte ihn aber nicht finden.
»Ich wollte nur Ihr Gesicht sehen«, sagte sie und brach in Tränen aus. Ein Schluchzen brauste über die Menge hinweg, alle lauschten ihm gebannt. »Wo ist sie? Was haben Sie mit Amy gemacht? Was haben Sie mit
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