Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
unterbrechen und verbessern konnte.
Rand und Marybeth Elliott, Go und ich fuhren gemeinsam zur Kerzenwache. Es war nicht ganz klar, wie viele Informationen die Elliotts erhielten, wie viele verdammende Updates über ihren Schwiegersohn sie verdauen mussten. Ich wusste, dass sie zumindest die Sache mit dem »inszenierten Tatort« erfahren hatten. »Ich werde ein paar von meinen eigenen Leuten hinschicken, die werden uns genau das Gegenteil sagen – dass dort nämlich ganz eindeutig ein Kampf stattgefunden hat«, meinte Rand zuversichtlich. »Die Wahrheit ist dehnbar, man muss sich nur den richtigen Experten aussuchen.«
Von dem ganzen anderen Zeug wusste Rand nichts – von den Kreditkarten und der Lebensversicherung und dem Blut und Noelle, der verbitterten besten Freundin meiner Frau mit den vernichtenden Behauptungen: Missbrauch, Gier, Angst. Noelle war für heute Abend nach der Kerzenveranstaltung bei Ellen Abbott eingeladen, und vermutlich würden sie und Ellen vor den hingerissenen Zuschauern abwechselnd ihren Ekel über mich zum Ausdruck bringen.
Aber nicht alle waren von mir angewidert. In der letzten Woche boomte das Geschäft in der Bar: Hunderte Kunden drängten sich, um in der Kneipe von Lance Nicholas Dunne, dem potentiellen Mörder, ein Bier zu trinken und Popcorn zu knabbern. Go musste vier neue Aushilfen zum Bedienen anheuern; einmal war sie vorbeigekommen und hatte gesagt, sie könnte das Gedränge in der Bar nicht mehr ertragen, die ganzen verdammten Glotzer, die Leute mit ihrer morbiden Sensationslust, die unser Bier tranken und Geschichten über mich austauschten. Es war ekelhaft. Trotzdem, so argumentierte Go, das Geld konnte hilfreich sein, falls …
Falls. Seit sechs Tagen war Amy verschwunden, und wir alle dachten dieses »Falls«.
Als wir uns dem Park näherten, wurde es still im Auto, nur Marybeth klopfte unablässig mit dem Fingernagel auf die Fensterscheibe.
»Fühlt sich fast an wie bei einem Doppel-Date.« Rand lachte, hart an der Grenze zur Hysterie: hoch und fistelig. Rand Elliott, genialer Psychologe, Bestsellerautor, mit allen befreundet, verlor tatsächlich die Nerven. Marybeth dagegen suchte Zuflucht bei der Selbstmedikation: klare Schnäpse, verabreicht mit absoluter Präzision, genug, um das Schlimmste abzupuffern, ohne benommen zu machen. Aber Rand war buchstäblich dabei, den Kopf zu verlieren; ich erwartete halb, dass er den Hals sprungfedergleich nach vorn schnellen ließ und Kuckuuuck rief . Rands locker geschwätzige Art war regelrecht manisch geworden: Mit jedem, der ihm über den Weg lief, schloss er auf der Stelle Freundschaft, er umarmte wahllos Cops, Reporter und freiwillige Helfer. Besonders eng war er mit unserem Verbindungsmann im Days Inn, einem schlaksigen, schüchternen Knaben namens Donnie, den Rand gerne aufzog und auch stets darüber informierte: »Ah, ich zieh Sie doch bloß auf, Donnie«, sagte er immer, und dann grinste Donnie, scheinbar hocherfreut.
»Kann der Junge sich seine Anerkennung nicht vielleicht anderswo holen?«, schimpfte ich gestern Abend bei Go. Sie meinte, ich wäre nur neidisch, weil meine Vaterfigur einen anderen lieber mochte als mich. Womit sie natürlich recht hatte.
Als wir auf den Park zugingen, klopfte Marybeth ihrem Mann kurz auf den Rücken, und ich wünschte mir von Herzen, dass jemand das Gleiche auch bei mir tun würde – nur eine kurze Berührung –, und auf einmal kam mir ein Seufzen-Schluchzen über die Lippen, ein kurzes weinerliches Stöhnen. Ich wollte jemanden bei mir haben, aber ich wusste nicht genau, ob mir Andie oder Amy lieber gewesen wäre.
»Nick?«, sagte Go und wollte mir die Hand auf die Schulter legen, aber ich schüttelte sie ab.
»Sorry. Wow, tut mir echt leid«, erklärte ich. »Komischer Ausbruch, total Dunne-untypisch.«
»Kein Problem. Wir werden beide sowieso immer Dunne-untypischer«, beruhigte Go mich und sah schnell weg. Seit sie meine Situation entdeckt hatte – wir hatten uns angewöhnt, meine Untreue so zu nennen –, war sie ein wenig distanziert geworden, ihre Augen schweiften in die Ferne, ihr Gesicht war stets nachdenklich. Ich strengte mich an, mich nicht darüber zu ärgern.
Als wir den Park betraten, waren überall Kamerateams, nicht nur die lokalen, sondern auch die überregionalen Sender. Die Dunnes und die Elliotts gingen am Rand der Menschenmenge entlang, Rand lächelte und nickte wie ein Würdenträger auf Staatsbesuch. Fast sofort erschienen Boney und Gilpin und
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