Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
Zotteln im Bart. Sein Hemd war nicht zerknittert, wirkte an ihm aber so; Gilpin sah überhaupt aus, als müsste er nach Zigaretten und abgestandenem Kaffee stinken, obwohl er das nicht tat. Er roch nach Seife.
Ich führte die beiden über die kurze Treppe ins Wohnzimmer, deutete wieder auf den Trümmerhaufen, in dem die beiden jüngeren Cops noch knieten, als warteten sie darauf, endlich mal bei einer sinnvollen Tätigkeit wahrgenommen zu werden. Boney steuerte mich zu einem Stuhl im Esszimmer, ein Stück weg, aber mit Blick auf die Spuren eines Kampfes .
Dann ging sie mit mir dieselben Grundfragen durch, die ich bereits Velásquez und Riordan beantwortet hatte, und ihre aufmerksamen Spatzenaugen ließen mich keine Sekunde unbeobachtet. Gilpin ließ sich auf ein Knie nieder und taxierte das Wohnzimmer.
»Haben Sie schon Freunden oder Familienmitgliedern Bescheid gesagt – Leuten, bei denen Ihre Frau vielleicht sein könnte?«, fragte Rhonda Boney.
»Ich … Nein. Noch nicht. Ich hab erst mal auf Sie alle gewartet.«
»Ah.« Sie lächelte. »Lassen Sie mich raten: Sie sind das Nesthäkchen.«
»Ich habe eine Zwillingsschwester.« Ich ahnte, dass mein Gegenüber gerade innerlich ein Urteil über mich gefällt hatte. »Warum?« Amys Lieblingsvase lag auf dem Boden, sie war gegen die Wand gerollt, aber noch intakt. Ein Hochzeitsgeschenk, japanische Kunst. Jede Woche, wenn die Putzfrau kam, wurde die Vase weggepackt, denn Amy hatte Angst, dass die Frau sie kaputt machen würde.
»Nur so eine Vermutung, warum Sie auf uns gewartet haben: Sie sind es gewohnt, dass andere Leute die Führung übernehmen«, erklärte Boney. »Mein kleiner Bruder ist genauso. Ein Gesetz der Geschwisterreihe.« Sie kritzelte etwas in ihr Notizbuch.
»Okay.« Ich zuckte wütend die Achseln. »Brauchen Sie auch noch mein Sternzeichen, oder können wir anfangen?«
Boney lächelte freundlich und wartete.
»Ich hab nicht mit Freunden telefoniert, weil … ich meine, offensichtlich ist sie nicht bei Freunden«, erklärte ich und deutete auf die Unordnung im Wohnzimmer.
»Sie wohnen seit zwei Jahren hier, Mr. Dunne?«, fragte sie.
»Im September werden es zwei Jahre, ja.«
»Von wo sind Sie hergezogen?«
»New York.«
»City?«
»Ja.«
Sie deutete nach oben, fragte stumm um Erlaubnis, und ich nickte und folgte ihr. Gilpin übernahm die Nachhut.
»Ich hab dort als Journalist gearbeitet«, platzte ich heraus, ehe ich mir auf die Zunge beißen konnte. Selbst jetzt, wo ich seit zwei Jahren wieder hier wohnte, konnte ich es nicht ertragen, dass jemand dachte, dies wäre mein einziges Leben.
Boney: »Klingt beeindruckend.«
Gilpin: »Für wen?«
Ich passte meine Antwort dem Treppensteigen an: Ich hab für eine Zeitschrift geschrieben (Schritt), über Pop-Kultur (Schritt), für ein Männer-Magazin (Schritt). Oben an der Treppe drehte ich mich um und sah, dass Gilpin versonnen auf unser Wohnzimmer hinabschaute. Mit einem Ruck wandte er seine Aufmerksamkeit wieder mir zu.
»Pop-Kultur?«, rief er nach oben, während er die ersten Stufen in Angriff nahm. »Was genau umfasst das denn?«
»Populäre Kultur eben«, antwortete ich. Dann waren wir beide oben, wo Boney bereits auf uns wartete. »Film, Fernsehen, Musik, aber, äh, nicht die hohen Künste, nichts Geschwollenes.« Ich zuckte zusammen. Geschwollen? Wie herablassend. Für euch Bauerntrottel übersetze ich mein Englisch, Komma, Ostküste gebildet , lieber in Englisch, Komma, Mittelwesten rustikal . Ich schreib halt so Zeug, was mir in die Birne kommt, wenn ich grad im Kino war!
»Sie liebt Filme«, sagte Gilpin und deutete auf Boney. Boney nickte: Tu ich .
»Jetzt gehört mir The Bar, eine Kneipe in Downtown«, fuhr ich fort. Ich unterrichtete auch einen Kurs am Junior College, aber auf einmal kam es mir zu bedürftig vor, das auch noch anzuführen. Schließlich war ich nicht bei einem Date.
Boney spähte ins Badezimmer, Gilpin und ich blieben auf dem Flur. »The Bar?«, wiederholte sie. »Kenne ich. Wollte da immer mal vorbeischauen. Toller Name. Treffend.«
»Klingt nach einer guten Idee«, sagte Gilpin. Boney machte sich auf den Weg zum Schlafzimmer, wir folgten ihr. »Ein von Bier umgebenes Leben kann nicht so schlecht sein.«
»Manchmal liegt die Antwort tatsächlich auf dem Boden der Flasche«, sagte ich und zuckte innerlich wieder zusammen, weil es so gar nicht passte.
Wir betraten das Schlafzimmer.
»Ja, das Gefühl kenn ich«, lachte Gilpin.
»Sehen Sie das
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