Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
Räumen etwas zu tun haben, mit einer Betreuerin, die irgendwo in der Ecke saß und ihren Kaffee schlürfte und mich dabei beobachtete. Oder vielleicht nicht mal das. Auf einmal sah ich die Anschuldigungen – Belästigung oder Missbrauch –, ich würde mein Baby nie zu Gesicht bekommen, und ich würde immer in dem Bewusstsein leben, dass mein Kind irgendwo fern von mir existierte, und dass seine Mutter ihm Lügen in seine kleinen rosa Ohren flüsterte.
»Es ist übrigens ein Junge«, sagte sie.
Also war ich nun doch ein Gefangener. Ich gehörte Amy für immer – oder jedenfalls solange sie mich wollte –, denn ich musste meinen Sohn retten, musste versuchen, alles, was Amy tat, auszuhebeln, zu glätten, geradezurücken, richtigzustellen. Ich würde regelrecht mein Leben für mein Kind geben, und das mit Freuden. Ich würde meinen Sohn zu einem guten Mann erziehen.
Ich löschte meine Geschichte.
Boney hob beim ersten Klingeln ab.
»Pancake House? In zwanzig Minuten?«, fragte sie sofort.
»Nein.«
Dann informierte ich Rhonda Boney, dass ich Vater wurde und sie deshalb bei ihren Ermittlungen nicht mehr unterstützen konnte – dass ich außerdem plante, alle Erklärungen zurückzunehmen, die ich jemals hinsichtlich meiner unangebrachten Theorie abgegeben hatte, dass meine Frau mich reingelegt hatte, und bereit war, meine Rolle in der Sache mit den Kreditkarten zu gestehen.
Am anderen Ende herrschte Schweigen. »Hmmm«, machte Boney nur. »Hmmm.«
Ich konnte mir vorstellen, wie sie sich mit der Hand durch ihre schlaffen Haare fuhr und nachdenklich auf der Wange kaute.
»Passen Sie auf sich auf, Nick, okay?«, sagte sie schließlich. »Und auch auf das Kleine.« Dann lachte sie. »Amy ist mir eigentlich scheißegal.«
Go wollte ich es persönlich mitteilen, und unterwegs zu ihr versuchte ich, die Nachricht als frohe Botschaft einzukleiden. Ein Baby, darüber kann man sich doch nicht ärgern. Eine Situation kann man hassen, aber doch kein Kind.
Ich dachte, Go würde mich schlagen. Sie stand so dicht vor mir, dass ich ihren Atem spürte. Und dann stieß sie mit dem Zeigefinger auf mich ein.
»Du willst doch nur einen Vorwand, um bei ihr zu bleiben«, flüsterte sie. »Ihr beiden seid beschissen süchtig nacheinander. Ihr werdet im wahrsten Sinn des Wortes eine Nuklearfamilie, weißt du das? Ihr werdet explodieren. Scheiße, irgendwann werdet ihr in die Luft fliegen. Und du glaubst ernsthaft, dass du das die nächsten – wie viel? –, die nächsten achtzehn Jahre durchziehst? Denkst du nicht, sie wird dich umbringen?«
»Nicht, solange ich der Mann bin, den sie geheiratet hat. Der war ich für eine Weile nicht, aber ich schaff das.«
»Und du denkst auch nicht, dass du sie umbringst? Willst du dich in Dad verwandeln?«
»Kapierst du denn nicht, Go? Das ist meine Garantie, dass ich mich nicht in Dad verwandle. Ich muss der beste Ehemann und Vater der Welt sein.«
Da brach Go in Tränen aus – das erste Mal, dass ich sie weinen sah, seit wir Kinder waren. Sie setzte sich auf den Boden, einfach so, als hätten ihre Beine unter ihr nachgegeben. Ich setzte mich neben sie und lehnte meinen Kopf an ihren. Schließlich schluckte sie ihr letztes Schluchzen hinunter und sah mich an. »Erinnerst du dich, Nick, dass ich gesagt habe, ich würde dich immer noch lieben, wenn ? Ich würde dich lieben, ganz egal, was nach dem Wenn kommt?«
»Ja.«
»Tja, ich liebe dich immer noch. Aber das, was du jetzt tust, bricht mir das Herz.« Sie schluchzte noch einmal, es klang entsetzlich, ein Kinderschluchzen. »So hätte es nie ausgehen dürfen.«
»Es ist schon eine seltsame Wendung des Schicksals«, sagte ich, in dem Versuch, es auf die leichte Schulter zu nehmen.
»Amy wird aber nicht versuchen, uns voneinander fernzuhalten, oder?«
»Nein«, antwortete ich. »Denk dran, sie tut ja auch so, als wäre sie ein besserer Mensch geworden.«
Ja, jetzt bin ich endlich ein gleichwertiger Partner für Amy. Neulich bin ich morgens neben ihr aufgewacht und habe mir ihren Hinterkopf angesehen. Ich versuchte, ihre Gedanken zu lesen. Ausnahmsweise habe ich mich nicht gefühlt, als würde ich in die grelle Sonne starren. Allmählich nähere ich mich dem Niveau meiner Frau in punkto Verrücktheit. Denn ich fühle, wie sie mich erneut verändert: Ich war ein unreifer Junge und dann ein Mann, gut wie auch schlecht. Jetzt endlich bin ich der Held. Ich bin derjenige, dem man in der unendlichen Kriegsgeschichte unserer Ehe
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